Aus der Falle müssen sich die Griechen selber retten

Die Volksabstimmung über das EU-Rettungspaket wird nun auch zum Plebiszit über Alexis Tsipras.
Josef Votzi

Josef Votzi

Aus der Falle müssen sich die Griechen selber retten

von Josef Votzi

über das Referendum in Griechenland

Herzlich und gastfreundlich; aber bei Einhaltung von Verabredungen – einerlei ob inhaltlich oder zeitlich – chaotisch bis zum Anschlag. Wer jüngst mit Griechenland nicht nur als Tourist zu tun hatte, kehrt mehr denn je mit dem zwiespältigem Urteil zurück: Ein wunderschönes Land mit liebenswerten Menschen, aber mehr als gewöhnungsbedürftigen Zumutungen. Zwiespältig auch der Befund, wie die Griechen nach sechs Jahren Dauerkrise zum Verbleib in EU & Euro und zur eigenen Führung stehen: Die Mehrheit will in der EU bleiben und nicht zur Drachme zurück. Gleichzeitig fand der harte Kurs der Syriza-Regierung gegenüber Brüssel frenetischen Applaus: Regierungschef Alexis Tsipras erfreute sich bislang höchster Beliebtheitswerte.

Mit seiner Volte beginnt sich die Lage dramatisch zu drehen. Denn mit dem Referendum über das EU-Rettungspaket hat sich Tsipras in eine Sackgasse verrannt. Sein Finanzminister, von vielen als "Rising Star" gefeiert, hatte sich schnell als Sternschnuppe entzaubert. Jetzt entpuppt sich der Premier bald so verbohrt wie sein Wirtschaftsberater, der in Interviews die wahre Mission seiner Regierung predigt: Am griechischen Wesen soll ganz Europa genesen.

Die Vorstellung, gestärkt mit dem empfohlenen "Nein" des Volkes an den Verhandlungstisch in Brüssel zurückzukehren, ist weltfremd. Dabei hätte ein Referendum angesichts des massiven Widerstands in den eigenen Syriza-Reihen eine gute Idee sein können: als krönender Abschluss eines Rettungspakets, zu dem beide Seiten stehen. Tsipras jetzt gewählte Dramaturgie muss scheitern: Hie Brüssel, das an frisches Geld für Athen Bedingungen wie Steuererhöhungen und Sparmaßnahmen knüpft; dort das griechische Volk, das logischerweise auch jedes künftige Verhandlungsergebnis mit Daumen rauf oder runter bewerten müsste – das kann sich kein Geldgeber von Brüssel über Berlin bis Paris bieten lassen.

20. Juli: Neues Rettungspaket oder Verarmung

Dabei ist noch völlig offen, wie die Griechen am Sonntag stimmen werden: Umfragen besagen, dass sie entgegen der Tsipras-Empfehlung "Ja" zum EU-Vorschlag sagen könnten. In diesem Fall bliebe Tsipras nur der Rücktritt, allen anderen nur die neuerliche Rückkehr an den Start.

Die Würfel im Griechenland-Poker fallen so erst nach dem kommenden Sonntag: Denn der entscheidende Stichtag ist nicht der 1. Juli, an dem um 0 Uhr Washingtoner Zeit (6 Uhr Früh in Mitteleuropa) die nächste Milliarden-Rückzahlung an den Internationalen Währungsfonds (IWF) fällig wird. Die wahre nächste entscheidende Deadline ist der 20. Juli, wenn eine Milliarden-Rückzahlungsrate Athens an die EZB fällig wird. Die EZB wird nicht wie der IWF noch einmal ein Auge zudrücken können, sondern den roten Alarmknopf drücken müssen: Griechenland wäre dann in der Tat zahlungsunfähig, mit allen dramatischen Folgen: Pleite, Grexit, Drachme – und einer weiteren massiven Verarmung. Etwas, das niemand dem liebenswerten griechischen Volk wünschen kann und will. Es sei denn, die EU knüpft nach dem Referendum gemeinsam mit den Griechen ein neues Auffangnetz .

Die Weichen dafür stellen die Griechen selber– bei ihrer Volksabstimmung am kommenden Sonntag.

Kommentare