Über den Tellerrand – und jetzt?

Angela Merkel hat ihre Partei (wieder) und Europa im Griff. Die Unzufriedenen in Deutschland aber nicht.
Andreas Schwarz

Andreas Schwarz

Unterschiedlicher könnte die Orchestrierung der Parteitage nicht sein. Die SPD grundelt in allen Umfragen auf niedrigem Niveau und holte sich ein altes Kaliber auf die Bühne: Gerhard Schröder war gerufen, Sigmar Gabriel Rückenwind zu bescheren, wo der doch als Kanzlerkandidat mehr als nur umstritten ist. Und dann streichelt der Alt-Kanzler in seiner saloppen Art just Frank-Walter Steinmeier über Gebühr (den die Basis lieber als Kandidaten sähe) und erwähnt Gabriel nur im Vorübergehen. Der SPD-Chef muss heute mit einem dürren Votum als Parteichef rechnen.

Auf dem CDU-Parteitag steht kein Votum über Angela Merkel an – fast symbolhaft, denn die Kanzlerin ist in der Partei, mit Abstrichen, unumstritten. Trotz der medial zuletzt genüsslich transportierten Querschüsse gegen ihren Flüchtlingskurs. Die von Merkel ausgerufene Willkommenskultur wurde, als Deutschland zunehmend unter dem Flüchtlingsansturm stöhnte und Merkel von ihren Rekord-Umfragewerten verlor, sukzessive von ihrem Innen- und Finanzminister wieder eingefangen. Inzwischen hat Deutschland, ohne dass es jemand gemerkt hat, ein in vielen Bereichen strengeres Asylrecht als andere Staaten. Und mit einem Beschluss dazu beim Parteitag kommende Woche will die CDU das Bild der über den Tellerrand des kurzfristigen Erfolges blickenden Kanzlerin und jenes einer in Flüchtlingsfragen mit strengem Augenmaß (aber ohne offizielle Obergrenze) agierenden Politik vereinen.

In Europa kann Merkel damit nach wie vor das Tempo vorgeben. In Deutschland kann die "Person des Jahres" (Time) damit die SPD auf Distanz halten. Nur für die vielen Unzufriedenen im Land – messbar im Erstarken der "Linken" am einen und der "AfD" am anderen Rand –, dafür haben beide Koalitionspartner noch kein Konzept gefunden.

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