She got played: Merkel konnte nur verlieren

Böhmermann hat Merkel vorgeführt. Dass die Gerichte über sein Schmähgedicht entscheiden, ist richtig – dass es soweit kommen musste, auch Schuld der Kanzlerin.
Evelyn Peternel

Evelyn Peternel

Böhmermann hat Merkel vorgeführt. Dass die Justiz entscheidet, ist richtig – dass es soweit kam, die Schuld Merkels.

von Mag. Evelyn Peternel

über Sieger und Verlierer der Causa Böhmermann

Sie ist wieder da, die Entweder-Oder-Kanzlerin. Kein „Wir schaffen das“, kein moralischer Imperativ mehr – Angela Merkel hat bei ihrer Entscheidung in der Causa Böhmermann wieder ihre alten Tugenden aus dem Hut gezaubert: Sie geht den Weg des vermeintlich geringsten Widerstands.

Das innenpolitische Unheil, das ihr nun droht, scheint für sie im Vergleich zu einem Zwist mit Ankara zu vernachlässigen. Die SPD, allen voran Außenminister Steinmeier, hatte sich im Vorfeld gegen eine Ermächtigung stark gemacht; selbst der oberste Diplomat der Republik hätte lieber ein verbales Gefecht mit Erdogan riskiert.

Doch bei aller Kritik, Merkel hätte einen Kniefall vor der Türkei gemacht: Hätte sie anders entschieden, wäre ihr wohl vorgeworfen worden, die Politik habe die Justiz bevormundet. Das wäre nicht minder problematisch, weil eben genau das in der Türkei passiert - darauf hat Merkel in ihrer Erklärung auch deutlich hingewiesen; ein kleiner Seitenhieb. Wenigstens.

Merkels eigene Schuld

So entscheiden nun die Gerichte. Das ist demokratiepolitisch völlig richtig. Blöd ist nur, dass es gar nie so weit hätte kommen müssen. Hätte Merkel das Böhmermann Gedicht nicht stigmatisiert, als „bewusst verletzend“ bezeichnet, wäre die Causa nie so hochgekocht. So hat Erdogan aus Merkels eigener Schuld bekommen, was er wollte. Im Kanzleramt hofft man nun darauf, dass eintritt, was alle Juristen prophezeien und das Hauptverfahren gegen Böhmermann gar nicht erst eröffnet wird. Das wäre ein wirklich unabhängiges Signal in Sachen Meinungsfreiheit und eine zumindest kleine Niederlage für Erdogan.

Böhmermann hingegen hat nicht nur geschafft, dass die undemokratischen Zustände in der Türkei auch außerhalb deren Grenzen wahrgenommen werden, sondern auch, dass der unselige Paragraph 103, der Judikative und Legislative unangenehm vermischte, bald der Geschichte angehört. Und er hat der Kanzlerin in seinem Gesamtkunstwerk eine schulmädchenhafte Gastrolle zukommen lassen – und mit seiner grenzwertigen Satire die Beschränkungen der Realpolitik aufgezeigt. Das macht ihn schon jetzt, unabhängig von der juristischen Entscheidung, zum Sieger in diesem Trauerspiel.

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