Badeschiff

wunder WELT: Kreislauf
wunder WELT: Joachim Lottmann über Tierschützer, Bettler und Straßenschönheiten.
Joachim Lottmann

Joachim Lottmann

Als wir im Juni das sogenannte Badeschiff im Donaukanal entdeckten, gleich neben dem Schwedenplatz, war kaum jemand da, trotz Sonne und Hitze. Dieses Schiff hat in seinem Innern einen herrlichen hellblauen Swimming Pool. Man kann locker seine Lagen schwimmen, oder am Rand sitzen und sich wohlfühlen. Inzwischen tummeln sich dort zwei weitere Paare aus Wien, ein netter dickbauchiger Architekt mit seiner 13-jährigen, sehr anhänglichen Tochter, diverse Haufen von Kindern mit je einem Elternteil, ein viel zu schönes schwarzhaariges Mädchen aus Baku mit mehreren Verehrern aus derselben Gegend, und Gruppen von Männern aus Russland, Bulgarien und anderen Balkanländern. Diese Männer haben antrainierte Muskeln und viel Spaß im Wasser. Aus Frankreich kommen einige attraktive Studentinnen. Es gibt Einzelgänger beiderlei Geschlechts, die aufwendig mit Taucherbrille und viel Wasserverdrängung durchs Becken pflügen, ihrer eigenen Rekordzeit hinterher, und dabei alle nassspritzen und nerven. Eine winzige Dreijährige macht kreischend immer genau neben dem Kopf der Maria die große Plautze. Einige pausbäckige Buben sind mit Brille und Schnorchel unter Wasser zugange und gucken sich die Mädels von dort aus an. Das war wohl schon immer so. Nachts glitzert das Wasser türkisgrün, angestrahlt von starken Unterwasser-Scheinwerfern. Über die nahe Aspernbrücke fließt der Abendverkehr. Die grüngelbe Kugel der Urania glüht wie ein gerade aufgehender Vollmond. Man kann sogar die sich bewegende Riesenschaukel des Praters erkennen. Nachts sind weniger Leute da, und man hört nun klarer die Großstadtgeräusche. Polizeisirenen, aggressive Motorräder, Stimmen, Lachen, und auch das Rauschen des Donaukanals. Fährt ein schwerer Schlepper vorbei, schwappt das ganze Wasser über Bord. Der Sommer geht zu Ende, aber nicht im "Badeschiff". Da beginnt er für manche erst.

joachim.lottmann(at)kurier.at

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