Reduzieren – weil weniger ist mehr

Sandra Baierl

Sandra Baierl

Weniger ist mehr. Und vielleicht ist im Stress nichts auf einmal alles.

von Mag. Sandra Baierl

über Arbeitszeitverkürzung

Die gesetzlich nicht geregelte Arbeitszeit in Österreich lag um 1830 bei 14 bis 16 Stunden pro Tag oder 80 bis 85 Stunden in der Woche. Die Industrialisierung setzte voll ein, die Maschinen gaben den Arbeitstakt vor. Ruhe gab es nur sonntags.

Die Reduktion der Arbeitszeit über die Jahrzehnte ist eine Erfolgsgeschichte der Gewerkschaften. Nach dem zweiten Weltkrieg einigte man sich 1959 auf eine Verkürzung der Arbeitszeit von 48 auf 45 Stunden pro Woche, zehn Jahre später von 45 auf 40 Stunden.

Bis in die 70er-Jahre war das Hauptmotiv für die Arbeitszeitverkürzung die Hebung des Lebensstandards. Das änderte sich mit der Weltwirtschaftskrise in den 1970ern: Von da an stand die Aufteilung der weniger vorhandenen Arbeit auf alle Arbeitnehmer im Vordergrund.

38 bis 40

Geschichtlich betrachtet arbeiten wir seit der Industrialisierung weniger als je zuvor (davor waren Arbeit und Freizeit eine Einheit, der Arbeitstag begann mit Sonnenaufgang und endete mit Sonnenuntergang, Zeit spielte eine geringe Rolle). Aber sind gestresster denn je.

Das hat auch damit zu tun, dass in wirtschaftsschwachen Zeiten Personal reduziert, in den Konzernen die Arbeit auf noch weniger Menschen aufgeteilt wird – und viele Mitarbeiter deshalb weit mehr als 38 oder 40 Stunden pro Woche arbeiten.

Das hat aber auch damit zu tun, dass unsere Durchtaktung im Leben außerhalb des Jobs enorm zugenommen hat. Partner, Kinder, Familie, Freunde, Freizeit, Bildung, Shoppen, Sport, Kultur, Fernsehen, Internetsurfen, Facebooken, Twittern – es wird gehetzt, eingeteilt, gestresst. Die Fokussierung, die Hingabe und Muße, sich einer Sache zu widmen, fehlt völlig. Wir verbieten uns jede Pause, jeden Hauch von Langeweile – und versäumen dadurch das Leben. Weniger ist mehr. Und vielleicht ist im Stress nichts auf einmal alles.

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