No Jacket Required*

Als Phil Collins in den 80er-Jahren mit Sängerfreund Robert Plant in Illinois ein Restaurant besuchen wollte, wurde ihm der Eintritt verwährt. "Sorry Sir, so können wir Sie nicht reinlassen." Der Kellner zeigte auf das Gebotsschild: Jacket required.

Der erzürnte Collins erzählte die Geschichte in Interviews in Playboy, der Tonight Show und bei David Letterman, er benannte sogar sein Soloalbum danach. Damit erwirkte er eine Meinungsänderung beim Restaurantbetreiber. Der sendete ihm zur Entschuldigung ein Sakko als Geschenk und die Worte: "Sie können künftig in mein Restaurant kommen und tragen, was immer Sie möchten."

Sein und Schein

Tragen, was immer man möchte – in der Geschäftswelt funktioniert das nicht. Die Welt ist voreingenommen und glaubt an den Schein, viel mehr als an das Sein. Es gibt genaue Vorstellungen wie eine Anwältin (dunkles Kostüm), eine Chirurgin (mintgrüne Jacke und Haube), ein Werber (schwarz, schwarz) und ein Investmentbanker (Krawatte) auszusehen haben. Charakter, Können, Fachwissen – wird alles vom Maßgewand überdeckt.

Nur, wenn es Investmentbanken besonders gut geht, wird der Dresscode gelockert. Am Höhepunkt der Finanzkrise aber schaffte man in London sogar die Institution des Casual Friday – nur Hemd, aber kein T-Shirt; legere Hose, aber keine Jeans; lockere Schuhe aber keine Sneakers – ab. Der feine Anzug und das korrekte Kostüm sollten wieder Sicherheit suggerieren, sollten das verloren gegangene Vertrauen wieder herstellen. Wenn die Produkte nicht überzeugen, dann müssen es die Vermittler umso mehr tun. Die Menschen lassen sich gerne blenden, so lange, bis sie nichts mehr sehen.

Es ist bezeichnend, dass die Branche mit dem strengsten Dresscode die Welt in die größte Wirtschaftskrise aller Zeiten gestürzt hat. Landwirte hingegen haben keinen Dresscode – aber sie ernähren die Welt.

* Der Titel von Phil Collins’ Soloalbum aus 1985