Neid ist unabwendbar – und nützlich

Sandra Baierl

Sandra Baierl

"In der Demokratie, wo wir angeblich alle die gleichen Chancen haben, ist der Neid ein wichtiger Antrieb für viele Menschen.

von Mag. Sandra Baierl

über Neid als Treiber

In einer idealen Gesellschaft von Gleichen wird jede Art von Ungleichheit abgelehnt. Der französische Evolutionsbiologe François Lelord schreibt: "In der ständischen, alten Gesellschaft war der Bauer nicht neidisch auf den König oder auf den Adligen, das hat sich einfach verboten, das war gar nicht denkbar, dass er da hinkommen könnte. Aber in der Demokratie, wo wir angeblich alle die gleichen Chancen haben, ist der Neid natürlich ein wichtiger Antrieb für viele Menschen."

Neid ist also ein enger Verwandter der Demokratie. Wer nach Gerechtigkeit strebt, hat ein Gefühl der Ungerechtigkeit in sich – den Wunsch, dass es einem genauso gut geht wie den Privilegierten: den Reichen, den Männern, den Weißen, den Mächtigen, den Chefs, den in der ersten Klasse Sitzenden, den Heteros. Daraus ergibt sich der Antrieb, eine Verbesserung herzustellen – die Arbeiterbewegung, die Frauenemanzipation, Bürgerrechtler und homosexuellen Aktivisten waren alle von einem Gedanken dominiert: ihre Position an die der anderen anzugleichen. Gut so.

Neid als Stimulation

Der Ehrgeiz und Wille, etwas zu schaffen, etwas zu erreichen, etwas zu verbessern, braucht Stimulierung. Der Vergleich ist ein immens großer Treiber, wenn es um Fortschritt, Verbesserung und Innovation geht. Neid schafft also Entwicklung – aber nur dann, wenn er "ehrgeizig stimulierend" und "empört rechtend" ist. Nicht aber, wenn er "depressiv lähmend" oder "feindselig schädigend" ist (die vier Arten von Neid).

Gegen das Gefühl des Neides lässt sich nichts tun. Es steigt aus unserem tiefsten Inneren in den Kopf und greift dort unablässig in unsere täglichen Entscheidungen und Verhaltensweisen ein. Hier jedoch kann jeder für sich eine Entscheidung treffen: Die Kraft des Neides für sein eigenes Vorankommen zu nützen oder sie zerstörend walten zu lassen.

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