Westbahn: "Was schreib’ma auf die Rechnung?"

Wirtschaft von innen: OeBS Provisionsskandal: Die Frage der Revision
Ex-Westbahn-Chef Wehinger setzte zwei tiefblaue Lobbyisten auf den Erzfeind ÖBB an. Die Aktion durfte weder im Unternehmen noch gegenüber dem Aufsichtsrat aufscheinen.
Andrea Hodoschek

Andrea Hodoschek

Die Policon Politik- und Kommunikationsberatung ist dort,"wo Politik stattfindet". Den Inhabern, Christoph Pöchinger und Martin Standl, mangelt es tatsächlich nicht an politischer Erfahrung, wenn auch mit einschlägigem Hintergrund.

Standl sammelte sein Know-how als Pressesprecher beim Industriellen und ehemaligen FPÖ-Nationalratspräsidenten Thomas Prinzhorn, den blauen Justizministern Karin Miklautsch und Dieter Böhmdorfer und schließlich bei Ex-Verkehrsminister Hubert Gorbach. Pöchinger assistierte ebenfalls Miklautsch, die 2005 zum BZÖ gewechselt war und nach ihrer Heirat Gastinger hieß, als Mediensprecher. Beide Herren sind Mitglieder der schlagenden Burschenschaft Suevia.

Westbahn: "Was schreib’ma auf die Rechnung?"

Wer in derart schwerlastigen Ministerien im Zentrum der Macht agierte, kann ganz hilfreich sein. Das dachte sich auch Stefan Wehinger. Er kam unter seinem Vorarlberger Landsmann Gorbach in den Vorstand der ÖBB-Tochter Personenverkehr, ging 2008 vorzeitig ab und gründete mit Investoren den privaten Konkurrenten Westbahn.

Westbahn: "Was schreib’ma auf die Rechnung?"

Akkurat neun Monate vor dem Start der Westbahn beschloss die Regierung im Februar 2011 den Vertrag über die Gemeinwirtschaftlichen Leistungen (GWL). Fein für die Staatsbahn. Für die nächsten zehn Jahre werden den ÖBB 6,3 Milliarden Euro an Staatszuschuss garantiert. Die Westbahn ging leer aus.

Das empörte Wehinger, der gegen die ÖBB scharfe Schützenhilfe suchte. Standl kannte er noch aus seiner ÖBB-Zeit. Pöchinger wurde mit ins Boot geholt. Ziel war, die ÖBB in der Öffentlichkeit und bei der Politik in Misskredit zu bringen.

Nach außen hin freilich wollte Wehinger weder sich noch die Westbahn mit den beiden Lobbyisten in Verbindung bringen. Besser, wenn auch der Aufsichtsrat nichts davon wusste. Vor allem Hans Peter Haselsteiner, Westbahn-Gründer und maßgeblicher Miteigentümer. Der Strabag-Chef, einst beim Liberalen Forum engagiert, hätte vermutlich wenig Freude mit dem blauen Duo gehabt. Wie also die Honorare von insgesamt 35.000 Euro netto intern verstecken?

Hilfreich, dass Pöchinger und Standl, die beide die Wiener FPÖ strategisch bei Themenfindungen beraten, den Kärntner Werber Josef Sablatnig als Partner haben. Unter dem Rechnungszweck "Medien- und Pressedienst" fakturierte die Werbeagentur von Sablatnig die Honorare an die Westbahn, von dann insgesamt 46.400 Euro netto. Obwohl strafrechtlich nicht relevant, war Pöchinger und Standl durchaus bewusst, dass diese Verrechnung heikel war. Beide bestätigen, genau überlegt zu haben, "was ma’ auf die Rechnung schreiben soll". Sie hätten aber nur im Interesse der Steuerzahler gehandelt, als sie gegen den GWL-Vertrag lobbyierten.

Die blauen Burschen waren wieder sprungbereit, als die ÖBB das Zugcatering neu vergaben – an den Gourmetkonzern DO&CO. Wehinger hatte einen Informanten, der behauptete, der Zuschlag sei geschoben. Standl wollte schon Material für eine parlamentarische Anfrage der FPÖ aufbereiten, als der Informant kalte Füße bekam und Wehinger zurückpfiff. Als Wehinger abging, beendete Nachfolger Erich Forster die Zusammenarbeit mit Standl und Pöchinger dann sehr rasch. Wehinger will keinen Kommentar abgeben und beruft sich auf seine Verschwiegenheitspflicht, solange der Verkauf seiner Westbahn-Anteile an die Mitaktionäre nicht abgeschlossen ist. Die Sache liegt noch in Brüssel, ist aber eine reine Formalität.

Noch offen sind übrigens die strafrechtlichen Ermittlungen gegen Wehinger. Er gab als ÖBB-Manager 180.000 Euro an den Ex-Lobbyisten Peter Hochegger zur Auszahlung frei, die dieser für die Erfindung des Namens "Rail Jet" verlangte. Die ÖBB beteuern, einer ihrer Mitarbeiter hätte die Marke kreiert und wollen das Geld zurück.

Abgehört und observiert: Konspirative Treffen im "Schwarzen Kameel"

Westbahn: "Was schreib’ma auf die Rechnung?"
Andrea Hodoschek

Litigation PR ist eine Form der Krisen-PR. Mit dem Ziel, die juristische Strategie von Anwälten zu unterstützen. Know-how, das sich Martin Standl und Christoph Pöchinger während ihrer Jobs im Justizministerium erarbeiteten und das sie als Berater vermarkten. Dabei gerieten sie selbst in die Mühlen der Justiz.

Es begann damit, dass die Korruptionsstaatsanwaltschaft Pöchinger in Zusammenhang mit den Telekom-Ermittlungen abhören ließ. Gegen Pöchinger läuft ein Strafverfahren wegen der Telekom-Gelder für den Wahlkampf seiner Ex-Chefin Karin Gastinger. Monatelang wurde eifrig abgehört und observiert, etwa im "Schwarzen Kameel" in der Wiener Innenstadt. Was die Ermittler so alles hörten, veranlasste die Staatsanwaltschaft, Verfahren gegen Standl und Pöchinger einzuleiten: Wegen des Verdachts auf "versuchte Bestimmung zum Amtsmissbrauch", zur Verletzung des Amtsgeheimnisses und wegen versuchter verbotener Intervention. Der Vorwurf: Beide hätten versucht, ihre Justiz-Kontakte zu nutzen, um Verfahren zu beeinflussen und Amtsgeheimnisse zu erfahren. Auch gegen Justizbeamte wird ermittelt. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Dabei geht es unter anderem um die 100-Millionen-Kaution des Bankers Julius Meinl. Meinls Umfeld soll Pöchinger ersucht haben, Bewegung in die Justiz zu bringen, zwecks Retournierung des Geldes. Pöchingers Trauzeuge ist ein hochrangiger Sektionschef, gegen den die Ermittlungen aber schon eingestellt sind. Pöchinger wird auch vorgeworfen, er habe FP-Parlamentsmitarbeiter wegen des U-Ausschusses beeinflussen wollen. "Wir hoffen, dass die Staatsanwaltschaft bei Zusammenschau aller Details bald erkennt, dass es kein Delikt gibt", erklären Pöchinger und Standl. Sie wüssten sehr genau, "wo die Grenze zu einem möglichen Amtsdelikt steht und unsere Gesprächspartner wissen das noch viel besser". Die Staatsanwaltschaft habe "weit übers Ziel geschossen".

Eingestellt wurden die Ermittlungen aufgrund einer anonymen Anzeige in Sachen Asfinag-Rettungsgasse. Standl hatte sich mehrere Domainnamen gesichert und wollte diese an die Asfinag verkaufen, was aber am Preis scheiterte.

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