Plan B

Ernst Molden

Ernst Molden

Wir schirren den Leichenwagen an. Wir fahren doch noch aus. Wie so oft und gern auf den Cobenzl.

von Ernst Molden

über den Cobenzl

Der Cobenzl ist immer gut für den herbstlichen Not-Ausgang. Man kennt das: Samstag, meistens aber Sonntag. Die Kinder verkünden schon in der Früh: Heute wollen wir einen faulen Tag! Das heißt: Sie wollen nicht ausgehen. Sie wollen ihre Ruh. Sie wollen ihre eigenen Supperln kochen. Leider köcheln im Laufe des Herbsttages diese Supperln über, das bedeutet: Die Brut streitet erbittert. Und der Plan B mit dem herbstlichen Not-Ausgang wird aktiviert. Wir schirren den Leichenwagen an. Wir fahren doch noch aus. Wie so oft und gern auf den Cobenzl. Er eignet sich so. (Johann) Philipp Graf Cobenzl, der von 1741 bis 1810 lebte, war der letzte seines kaisertreuen und den Staatsgeschäften verpflichteten Geschlechts. Er beerbte ohne Geschick den ewigen Kaunitz als Staatskanzler Josephs II, wurde aber bald pensioniert. Dann erwarb er Ländereien am Reisenberg im Wienerwald, wo er ein altes Kloster der Jesuiten in ein Landgut umbauen ließ. Das wurde zwar schon wenige Jahre später von der napoleonischen Armee wieder demoliert. Aber dennoch nannten die Wiener den das Landgut überragenden Latisberg fortan Cobenzl.Das letzte Licht des Novembertages glimmt am Parkplatz. Maroni?, fragt die Brut. Später, sagen wir. Wir streben ehrgeizig über die Drachenwiese und durch den Haselwald der Kreuzeiche zu. Dort nehmen wir den mittleren der drei Wege auf den Grat hinauf und steigen sodann Richtung Agnesbründl ab. Rundum wogt plötzlich der Nebel auf. Bodennebel, schwer und blickdicht, geradezu englisch. Wir gehen durch Waldstücke, in denen die Buchenstämme im Nebel verschwinden, die obersten Äste allerdings wie die Finger von Verdammten aus dem Grau herausragen. Als wir beim Agnesbründl ankommen, setzt noch dazu die Dämmerung ein.Kakao?, fragt die Brut. Später, sagen wir. Durch die hereinbrechende Nacht wandeln die enormen, geisterhaften Hängebauchschweine, die beim Agnesbründl in einem Gehege leben. Die Schweine brummen düster. Wir gehen zurück. Jetzt gibt es Maroni. Und dann Kakao, im Glasrondeau des Café Cobenzl. Für die Eltern sogar mit Asbach Uralt. Die Kinder blödeln liebevoll. Die Liebste und ich trinken auf (Johann) Philipp Graf Cobenzl. Ein Mann ohne Geschick, aber mit Geschmack.

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