Das Konditorei-Konzert

Statt schallend lacht der Konditoreiengast leise und glucksend.

über einen besonderen Auftritt

Mich hat unlängst eine Sorte Ort verführt, von der ich nicht mehr dachte, dass sie mich in diesem Leben noch um den Finger wickeln könnte: die Konditorei. Genauer: Es war eine Konditorei in Neulengbach. Der dortige Konditor hatte mich eingeladen, um in seinem Gastzimmer meine Lieder zu spielen, für das Konditoreienpublikum. Das Konzert begann um sechs, was natürlich ein klassischer Konditoreienzeitpunkt ist. Ich war in skeptischer Verfassung gekommen, aber angesichts der herrschenden Atmosphäre schmolz ich bald dahin. Treffe ich üblicherweise auf Zuhörer, die, sagen wir, ein Schnitzerl und zwei bis drei Biere in sich haben, hatte mein heutiger Durchschnittsgast etwa eine Torte und ein bis zwei Kakao in sich. Das führt naturgemäß ebenfalls zu einer glücklichen Grundverfassung, wenn auch zu einem geringfügig abweichenden Konzert-Rezeptionsverhalten. Statt schallend lacht der Konditoreiengast leise und glucksend, statt wild zu rocken, wiegt er sich eher sanft, des mollig gefüllten Bäuchleins wegen. Und selbst ich, der ich aus meiner mönchischen Sängermoral heraus vor dem Auftritt niemals Schnaps trinke noch Mehlspeisen esse, ich spürte diese sehr spezifische Glücksverfassung meiner Zuhörer. Ich vermeinte wahrzunehmen, wie meine Lieder von einem unsichtbaren Schlagobers-Brunnen getränkt wurden und sich ihrerseits in etwas Feistes, Flaumiges verwandelten.

Nach dem Auftritt stand ich mit Herrn Günter, dem Konditor, beisammen. Da trat eine junge Frau zu uns und stellte sich als Franziska vor. Ich hätte doch in der freizeit über den sizilianischen Kastanienbaum der Hundert Pferde geschrieben. – Ja, sagte ich, eh. – Ihr Mann, sagte Frau Franziska, stamme aus Sizilien, quasi direkt aus dem Schatten dieses Kastanienbaums. Und er habe mir Früchte vom benachbarten Orangenbaum geschickt. In einem Nylonsackerl lagen sechs kindskopfgroße, duftende Orangen. Als ich heimkam, ließ ich diese Orangen über den Küchentisch in die Arme der Liebsten rollen. Dann sagte ich: Ich will eine Tournee machen durch lauter Konditoreien.

Die Liebste sagte, sie verstehe mich.

ernst.molden@kurier.at

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