Ängste

Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Sie fürchtete, im Klo könne ein Wal lauern, um sie in den Hintern zu beißen.

von Guido Tartarotti

über Ängste

Als meine Tochter noch sehr klein war, hatte sie Angst davor, in der Nacht aufs Klo zu gehen. Sie fürchtete, im Klo könne ein Wal lauern, um sie in den Hintern zu beißen. Ich konnte sie gut verstehen: Ich hatte als Kind Angst, in der Nacht die Spülung zu betätigen, weil das Geräusch so laut war. Ich fürchtete, die Eltern zu wecken und deshalb Ärger zu bekommen. Also betätigte ich die Spülung nicht, und bekam so am nächsten Morgen noch viel mehr Ärger. Später hatte meine Tochter vor allem Angst davor, ein Feuer könne ausbrechen. Als jetzt mitten in der Nacht das Nachbarhaus in Flammen stand, hielt ich es daher für besser, das Kind zu wecken.

Ja, kein Schmäh. Unlängst heulten gegen halb zwei Uhr morgens die Sirenen im Ort. Ich saß schreibend am Computer – ich bin ein unheilbarer Nachtmensch – und dachte mir: Oje, wieder ein Unfall auf der Süd. Und dann: Komisch, die Feuerwehrautos sind aber nah. Und dann: Seltsam riecht es hier. Ich schaute aus dem Fenster und sah ein bizarres Szenario: Das Nachbarhaus brannte, absurd viel Rauch nebelte den Ort ein, und ein tapferer Feuerwehrmann fuhr mit einer Drehleiter mitten in die Rauchschwaden hinein. Also wecke ich das Kind und sage: Maus, bitte hab keine Angst, das Nachbarhaus brennt, aber die Feuerwehr ist schon da, wir sind sicher nicht in Gefahr. Und sie sagt „Aha“, dreht sich um und schläft weiter, trotz des Höllenlärms des Feuerwehreinsatzes.

Und dann sitze ich auf dem Fensterbrett, mache Handyfotos und denke: So, die stelle ich jetzt auf Facebook. Und dann denke ich, Wahnsinn, bist du peinlich, und lösche die Fotos wieder.

Am nächsten Tag höre ich, alles ist gut gegangen, niemand schwer verletzt, und spüre tiefe Hochachtung für die Superburschen (und -Mädchen?) von der Feuerwehr.

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