Barocktheater!

Mein Sohn und ein Klassenkollege halten die Rede bei der Maturafeier ihrer Schule gemeinsam. Sie waren beide zur Klassensprecherwahl angetreten, hatten gleich viele Stimmen bekommen und mein Sohn war per Münzwurf zum Sieger erklärt worden. „Das ist der Unterschied zur Bundespräsidentenwahl“, sagt er in seiner Rede. „Bei uns war es auch arschknapp, aber es hat der weniger Vernünftige gewonnen.“

Diese politische Pointe sorgt bei einem Teil des Publikums im gut gefüllten Turnsaal für entrüstetes Aufseufzen. Mein Sohn grinst zufrieden in die Runde. (Dass es noch einen Unterschied geben würde, weil nämlich die Klassensprecherwahl nicht vom VfGH aufgehoben wird, ahnte damals noch niemand.)

Dann sagt mein Sohn: „Besonders bedanken möchte ich mich bei meinem Vater, der in einer Woche die gesamte deutsche Literaturgeschichte mit mir gelernt hat. Falls er nicht lieber Fußball geschaut hat.“ Ich muss meine Rührung dadurch bekämpfen, dass ich in den Saal rufe: „Richtig, und deshalb zah an, Bub, in 20 Minuten spielt Deutschland.“ Er hat übrigens Recht. Wir haben in einer Woche den ganzen Deutsch-Stoff durchgekaut, von den Merseburger Zaubersprüchen bis zu Thomas Glavinic, wir haben dabei so viel geblödelt, dass sich meine Freundin, die uns zuhörte, den Bauch vor Lachen hielt. Beim Stichwort „ Barocktheater“ werden wir wohl noch in 20 Jahren kudern müssen.

In Wahrheit hat uns vermutlich weniges in unseren gemeinsamen 17 Jahren soviel Spaß gemacht wie diese Woche und die dabei gewonnene Erkenntnis: Lernen kann enorm lustig sein. Dass er auf seine Deutschmatura einen Einser bekam, war schon sehr fein. Aber die höheren Weihen bekamen wir von meiner Mutter, einer pensionierten Deutschlehrerin, die uns einen ganzen Grillabend lang abprüfte und nachher meinte, wir wüssten mehr als sie. Wir gaben uns High five, ich sagte „Barocktheater“, und wir bekamen einen Lachanfall.

Guido Tartarottis neues Kabarettprogramm "Selbstbetrug für Fortgeschrittene" hat am 2. September im Niedermair in Wien Premiere. Zweite Vorstellung am 22. September im Theater am Alsergrund.