Kulturpolitischer Kuschelkurs in Wien – samt Clownerie

Thomas Trenkler

Thomas Trenkler

Das Koalitionsabkommen besteht im Kulturbereich aus Worthülsen.

von Thomas Trenkler

über den kulturpolitischen Kuschelkurs in Wien.

Der „Lange“ also ist wieder Stadtrat für Kultur und Wissenschaft. Aber nicht nur: Andreas Mailath-Pokorny darf sich auch um das Wiener Wahlrecht kümmern. Er ist ja Jurist. Zudem wurde ihm der Sport aufgebürdet. In seinem Büro kullert schließlich ein Fußball herum.

Der Stadtrat und seine Mitarbeiter sind aber nicht wirklich angetan von der Entscheidung. Denn im Sportbereich gibt es viele offene Baustellen.

Mit den Grünen hat man sich aber wieder lieb. Ausdruck des Kuschelkurses ist – zumindest im Kulturbereich – das Koalitionsabkommen. Es besteht aus Worthülsen: Wien bekennt sich zur Kulturfinanzierung, die Kommune stehe für die Freiheit des künstlerischen Ausdrucks, alle Menschen sollen am kulturellen Leben teilhaben können, die „Weltkulturstadt“ bleibe unverwechselbar etc.

Konkrete Vorhaben, an denen man die Koalition wird messen können, findet man so gut wie nicht. Man liest zwar: „Zuwendungen für Kunst und Kultur sollen steuerlich absetzbar sein.“ Aber das erledigt gerade Mailath-Pokornys Parteikollege Josef Ostermayer, der Kulturminister (SPÖ).

Und sonst? Man will den öffentlichen Raum mit Kunst und Kultur „aufladen“, man denkt an „Gratiskonzerte, Lesungen, Performances vor Einkaufszentren, in Parks, am Hauptbahnhof“. Man möchte „Straßenkunst, Akrobatik und Clownerie“ fördern – das war wohl den Grünen wichtig. Die Positionierung als Filmstadt müsse weiter gestärkt werden, es brauche eine gezielte Förderung innovativer Musikproduktionen. Und die Ankaufspolitik werde auf skulpturale Kunst im öffentlichen Raum ausgeweitet. Schön. Es gibt jedoch nicht einmal das Bekenntnis zum Ausbau des Wien Museums, man begnügt sich mit dem vagen Satz, Wien brauche „Kulturbauten, die die Stadt als Kulturstadt des 21. Jahrhunderts definieren“. Etwas ausführlicher sind nur die Passagen zur Stadtentwicklung. In jedem Erweiterungsgebiet sollen Kultureinrichtungen etabliert werden, in Bezirken mit geringem Angebot will man die „kulturelle Infrastruktur“ ausbauen, eine „Task Force“ soll Empfehlungen für die „kulturelle Nahversorgung“ entwickeln.

Es wird also, wie Willi Hejda in einem Kommentar für die IG Kultur schreibt, „eingestanden, was vielen schon lange bewusst ist: Es gibt kulturell massiv unterversorgte Stadtteile.“ Insgesamt aber ist das Abkommen enttäuschend. Die vor der Wahl gestellten 15 Forderungen der IG Kultur „bleiben weitgehend unberücksichtigt“, so Hejda. „Das ist schade, war aber zu erwarten.“ Kein Wort über Umverteilung: „Auch das war – leider – zu erwarten.“

Ausverhandelt wurde das Abkommen auf Seiten der Grünen von Klaus Werner-Lobo, dem bisherigen Kultursprecher, und Ursula Berner, die ihm nachfolgen sollte. Doch auch Berner hat es nicht in den Gemeinderat geschafft. Dritte im Bunde war Jennifer Kickert, die sich bisher kulturpolitisch nicht hervorgetan hat. Das Dilemma: Keiner von den Grünen scheint die Kulturagenden übernehmen zu wollen. Heute, Montag, soll die Entscheidung fallen, wer sich zu „opfern“ hat.

Die ÖVP hat bereits einen neuen Kultursprecher. Fritz Aichinger – Typ „Senior Partner“ – ist allerdings alles andere als ein Zeichen der Erneuerung. Alle Hoffnungen, dass Kulturpolitik nicht ganz verschwindet, ruhen daher auf Beate Meinl-Reisinger von den Neos.

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