Zwischen Rot und Gold

Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Der Schiedsrichter hätte Neuer unter die Dusche schicken müssen

von Wolfgang Winheim

über das Foul an Higuain

1:0. Auf dem Papier war alles wie vor 24 Jahren in Rom. Die Deutschen haben die beste Mannschaft, die Argentinier den besten Mann.1990 war das Diego Maradona gewesen. 2014 hat die Jury in Rio (zur Überraschung Maradonas) Lionel Messi zum Spieler des Turniers gewählt. Und Manuel Neuer zum besten Tormann.

So berechtigt die Auszeichnung des Ausnahmegoalies ist, so umstritten war seine Attacke an Gonzalo Higuain. Der Schiedsrichter hätte Neuer auch unter die Dusche schicken können. So wie später in der Verlängerung – sofern es zu dieser überhaupt noch gekommen wäre – zwei Argentinier.

Auch Javier Mascherano und Sergio Agüero gebührte Rot. Auch ihr rücksichtloses Hineingrätschen war symptomatisch. Zeitweise glich der WM-Kick einem American Football ohne Helm und Schulterschutz. Dass es keine Schwerverletzten (selbst Neymar kann bald wieder für Barcelona spielen) gab, spricht für die Athletik der Spieler und die medizinischen Abteilungen. Auch diesbezüglich erwiesen sich die Deutschen als weltmeisterlich.

Obwohl: Auf gebaut allein kommt’s zum Glück auch nicht immer an. Andernfalls dürfte sich Philipp Lahm, den Rapid vor elf Jahren nach einem Probetraining wegen seiner schmächtigen Figur heimschickte, jetzt nicht Weltmeister-Kapitän nennen. Und andernfalls würde der WM-Schützenkönig nicht James Rodríguez, sondern Mario Balotelli oder Hulk heißen. Letzterer sieht aus, als würde er mit Hanteln übernachten. Und US-Co-Trainer Andreas Herzog wähnte sich wie in einem Astronauten-Camp, als er erstmals die mobile Kraftkammer seiner US-Boys sah.

1978, bei der letzten WM auf südamerikanischem Boden, war noch alles anders.

Als Leichtathleten und Skifahrer die Kicker pauschal für untrainiert hielten; als die Deutschen stritten, dass sich die Torbalken bogen; als sich Argentinien im Finale gegen Europa (=Niederlande) durchsetzte; und als Mario Kempes Schützenkönig wurde.

Kempes, der Sonntag als Kommentator im Latinos-Kanal des US-TV-Konzerns ESPN mit seinen Landsleuten litt, wird heute 60 Jahre alt. Eine seiner Töchter blieb in Wien. Dort stürmte Kempes von 1984 bis 1986 für die Vienna, ehe er sich nicht zu gut war, danach auch in St. Pölten und Krems jedes Training mitzumachen.

Heute ließ sich so ein Goalgetter nie und nimmer schon mit 32 nach Österreich locken. Heute würde selbst der 36-jährige Miroslav Klose über ein Angebot aus der Alpenliga nur lächeln. Heute kommen solche WM-Stars bestenfalls zu einem Werbetermin von Red Bull. Oder wenn sie pensioniert und invalide sind.

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