Warum im Prater der Rubel rollt wie noch nie

Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Konkret: Innerhalb von vier Tagen nimmt der ÖFB fast fünf Millionen Euro brutto ein

von Wolfgang Winheim

über zwei lukrative Heimspiele

Vor seinem 76. Geburtstag flog Karl Schranz wegen des Länderspiels von Tirol noch nach Wien. Jungen wird er vielleicht nur als Putin-Versteher ein Begriff sein. Männer und (vor allem) Frauen seiner Generation haben Schranz indes als ihr Skiidol verehrt und in ihm einen Märtyrer gesehen, als er wegen Missachtung des Amateurparagrafen von Olympia ausgeschlossen wurde. Das geschah 1972. Zu einer Zeit, als Wladimir Putin, der zig Jahre später den von ihm bewunderten Schranz auf seine Datscha einladen sollte, noch Leningrader Judo-Stadtmeister und kleiner Parteisoldat war. Und als es zwischen Moskau und Wien zu einem sportpolitischen Tauwetter kam, das ansonsten im Westen undenkbar war.

Mit Juri Morosow und Waleri Nikitin ( 2002) erhielten zwei Eishockey-Spieler – als erste Sowjet-Sportler überhaupt – die Auslandsfreigabe. Sie durften WAT Stadlau verstärken – mit einer derartigen Brillanz, dass die Bundesliga-Zuseher meinten, die beiden betrieben eine andere Sportart.

Auch im Fußball brach das russische Eis zuerst in Wien. Auch Anatoli Sintschenko (heute Sportdirektor der Föderation St. Petersburg) und Sergej Schawlo (heute TV-Experte) benahmen sich stets mustergültig fair im Rapid-Trikot.

Erst beim Retourspiel in der EM-Qualifikation am 14. Juni wird man die beiden Ex-Rapidler vielleicht wiedersehen, obwohl die Russen den Schauplatz noch nicht verraten. Fest steht nur, dass auf keinen Fall dort gespielt wird, wo die letzten zwei Heimspiele gegen Österreich stattfanden. Denn Tiflis (Georgien) und Kiew (Ukraine) gehören nicht mehr zum Kreml- Reich.

Die Einnahmen stehen in der EM-Qualifikation ausnahmslos dem Gastgeber zu. Und weil schon am Dienstag in aller Freundschaft die brasilianischen Ballkünstler im Prater gastieren, rollt der Rubel wie nie zuvor. Konkret: Innerhalb von vier Tagen nimmt der ÖFB fast fünf Millionen Euro brutto ein, 1,3 Millionen davon stehen den Brasilianern zu. Im Normalfall kostet ein Auftritt von Neymar und Co. das Doppelte.

Nur weil die Brasilianer fürs Finish ihrer Europa-Tournee noch rasch einen Gegner suchten, gaben sie’s billiger. Der – unbedankte – Insidertipp war vom Österreicher Markus Schruf gekommen. Der ehemalige Austria-Akademie-Coach brachte es als Leiter eines Sozialprojekts, das die Unesco unterstützt, zu Ansehen in Brazil.

Vom tropischen Fortaleza bis zum kühleren Porto Alegre kicken und lernen inzwischen 6000 Jugendliche (teils aus Armenvierteln) in 25 Fußballschulen von Schrufs "Base Brazil".

Und vom heißen Norden bis zum klimatisch gemäßigten Süden wird ungeachtet des Nationalteams auch an diesem Wochenende Meisterschaft gespielt. Was theoretisch in Österreich genauso möglich wäre. Denn wie Brasiliens Legionärsauswahl, in der kein einziger Vertreter der 20er-Liga aufscheint, käme auch Marcel Koller mittlerweile ohne Spieler aus der österreichischen Zehner-Liga aus. Ein, zwei Red-Bull-Profis ausgenommen.

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