Wer schimpft, der schaut

Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Die aktuelle Kritik steht im Widerspruch zu den TV-Quoten.

von Wolfgang Winheim

über die EM

Noch lange nach dem EM-Finale hockte Antoine Griezmann niedergeschlagen in den Katakomben des Stade de France. So wie achteinhalb Monate davor am selben Ort in Saint-Denis.

Am schwarzen Freitag, den 13. (November), hatte Griezmann mit Frankreich gerade gegen Deutschland ein Freundschaftsspiel gewonnen, das keinen mehr interessierte. Im TV waren die Schreckensszenen vom Musiktheater Bataclan zu sehen. Und Griezmann ahnte, dass sich seine Schwester Maud dort befand. Tatsächlich verbrachte sie 90 Minuten auf dem Boden liegend. Sie stellte sich tot und wurde so von den Terroristen übersehen, ehe sie sich barfuß auf die Straße rettete.

Die Erinnerung an den 13. November 2015 wird auch bei Griezmann die Enttäuschung vom 10. Juli 2016 bald relativieren. Auch war der kleine Franzose nicht nur großer Verlierer, sondern auch großer Sieger in seinem bisher aufregendsten Jahr:

Verlierer, weil Griezmann wie im Champions-League-Finale mit Atlético Madrid nun auch im EM-Finale mit Frankreich scheiterte; Gewinner, weil sich Griezmann mit sechs Treffern zum EM-Schützenkönig kürte.

Der EM-Rekord seines Landsmanns Michel Platini bleibt ungebrochen. Der inzwischen als UEFA-Präsident gefallene Platini, der den EM-Spielen aus Frust über seine Sperre fernblieb, hatte 1984 Frankreich mit neun Toren zum Titel geschossen.

Wie 2016 fand auch die EM 1984 in Frankreich statt. Und wie jetzt wurde schon vor 22 Jahren, als sich Österreich (samt Herbert Prohaska) gar nicht hatte qualifizieren können, hierzulande von einer enttäuschenden EM geredet und geschrieben. Nur: Die aktuelle Kritik steht im Widerspruch zu den TV-Quoten. Gleich bei elf Spielen sahen mehr als eine Million ORF-Kunden zu. Wofür es aus Matschkerer-Sicht eine Erklärung gibt: Nicht die EM-Spiele waren so gut, sondern die TV-Alternativen so schlecht.

Ähnlich wird es in vier Jahren sein. Auch die nächste EM wird beanstandet werden, auch die Endrunde 2020 wird Top-Quoten garantieren. Gleichgültig, ob mit oder ohne Österreich.

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