Warum ein Liga-Letzter Spitze ist

Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Tradition und Toleranz schießen leider keine Tore.

von Wolfgang Winheim

über den Wiener Sportklub

Das Team des Jahres kommt ohne Spieler vom Klub der Stunde aus. Kein einziger Rapidler scheint im Kader für die Länderspiele gegen Moldawien und Schweden auf.

Das Westderby in der zweiten Leistungsklasse wurde von Behörden und Liga zum Geisterspiel degradiert, weil es zu viele (auch unberechenbare) Fans sehen wollten. Kein einziger Anhänger von Wacker Innsbruck und Austria Salzburg durfte die trefferreiche Partie (4:3 für Wacker) im Kleinstadion von Schwanenstadt miterleben.

Ob eine rapidlose Nationalelf und ein spannender Zweitliga-Kick, der im Fall einer geeignetes Spielstätte bis zu 10.000 Leut’ angelockt hätte, Beweis für den Aufschwung unseres Fußballs oder bloß Groteske sind – darüber in von Tragödien überschatteten Zeiten zu streiten, wäre lächerlich. Vielmehr ist’s angebracht, einen Klub zu würdigen, der nichts mit Spitzenfußball zu tun hat, aber dessen Anhang Spitze ist.

Der Wiener Sportklub liegt in der Regionalliga Ost sieglos an letzter Stelle. Trotzdem kamen Freitag 1404 zahlende Fans wieder zur Hernalser Bruchbude.

Die Spieler liefen schon zum achten Mal – auch in Ermangelung eines Sponsors – mit der Trikotaufschrift "Refugees welcome" Flüchtlinge willkommen. Für sie hatte man in Hernals schon gesammelt, bevor das Drama vom Burgenland die EU aufzurütteln begann.

In der Halbzeitpause marschierten zig Fans von der Friedhofstribüne zur Spielfeldmitte, um einander im Gedenken an die 71 Toten die Hände zu reichen und einen Riesenkreis zu bilden. Eine junge Frau sprach berührende Worte ins Mikrofon. Gleich neben dem Cornerfahnl hatten die Friedhofstribünler ein Transparent gespannt:

"Festung Europa. Abwehrriegel knacken".

Der Riegel des Sportklub-Gegners hielt. Nur 0:0 gegen Oberwart. Trotz der Enttäuschung verabschiedeten die Sportklub-Fans auch die Gäste mit Applaus.

Tradition und Toleranz schießen leider keine Tore. Und so wird dem Sportklub, sofern seinen Billigkickern nicht bald der Umschwung gelingt, selbst in der dritten Liga das letzte Stündlein schlagen. Auch wirtschaftlich. Das Tribünendach, das älter ist als die meisten, die drunten sitzen, droht dem Klub auf dem Kopf zu fallen. Obwohl es sich bis zum Rathaus herumgesprochen haben sollte, dass der Sportklub-Platz kein Prolo-Treff ist. Sondern ein Ort funktionierender Integration.

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