Südtiroler Eigenheiten

Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Nicht immer ging’s den Südtirolern so gut.

von Wolfgang Winheim

über Gröden

Konträr zu Österreich sinkt die Arbeitslosigkeit in Südtirol. Speziell in den Weltcup-Orten: Nur noch 3,2 Prozent sind ohne Job. Nicht immer ging’s den Südtirolern so gut. In vielen Gedenkfeiern wurde heuer daran erinnert, dass für Südtirol vor hundert Jahren (1915) der Erste Weltkrieg begonnen hat.

Im Grödnertal wurde mit Hilfe russischer Gefangener in nur sechs Monaten eine Bahntrasse von Klausen nach Wolkenstein angelegt, damit von dort aus österreichisches Kriegsgerät per Materialseilbahnen weiter zur Gebirgsfront im Kampf gegen die Italiener gebracht werden konnte.

Die Schienen sind längst abgerissen. In der Weltcupwoche hat der einstige Pfad des Leidens Rennläufern zum Joggen gedient.

Vom Teufelspakt, der von Hitler mit Mussolini geschlossen worden war, werden auch viele Österreicher, zumal deren Geschichtsunterricht meist vor dem 38er-Jahr geendet hat, erst durch den neuen Luis-Trenker-Film erfahren haben, in dem Tobias Moretti die (wegen politischer Slalomläufe) umstrittene, legendäre Grödener Kultfigur spielt.

Auch Super-G-Weltmeister Hannes Reichelt weiß erst seit seiner Liaison mit einer Südtiroler Ärztin vom brutalen Ultimatum, mit dem Hitler und Mussolini 1939 ein Volk entzweiten. Entweder "heim ins Reich"(= auswandern bis hin nach Böhmen oder Galizien), oder bleiben und sich italianisieren lassen. Deutsch konnte nur illegal in Kellern gesprochen werden. Gleiches galt für Ladinisch, das die Grödener bis in die Gegenwart hinübergerettet haben. Und von dem weder Gäst’ mit deutscher noch mit italienischer Muttersprache auch nur ein Wort verstehen.

Ladinisch gilt als eine der 300 Sprachminderheiten in Europa. Für 24 organisieren die Südtiroler zum Zeichen der Völkerverständigung eine eigene Fußball-EM. Sie wird unter dem Namen Europeada am 18. Juni in Südtirol eröffnet. Am selben Tag, an dem Österreicher freilich nur das gleichzeitige EM-Duell von David Alaba und Co. mit Portugal in Paris interessieren wird.

Selbst in engen Südtiroler Seitentälern geben sich fremdenverkehrsbewusste Gastgeber weltoffener als so manch Großstadt-Junkies. Nur aufs Wahren von Traditionen wird hartnäckig geachtet, weshalb sich über die Resultatslisten in der Lieblingszeitung der Südtiroler wie jeden Renn-Winter schmunzeln lässt. So wird es in den Dolomiten nach der Abfahrt (man beachte die Herkunftsbezeichnungen) heißen:

1. Aksel Lund Svindal (Norwegen), 2. Guillermo Fayed (Frankreich), 3. Kjetil Jansrud (Norwegen), 4. Peter Fill (Kastelruth), ... 7. Vincent Kriechmayr ( Österreich), ... 13. Dominik Paris (Ulten), ... 16. Romed Baumann (Nordtirol), ... 36. Matteo Marsaglia (Italien), ... 40. Christof Innerhofer (Gais).

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