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Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Pikant, dass mit Krone die Partner-Zeitung des ÖFB Kollers Jahresgehalt just nach EM-Out veröffentlichte.

von Wolfgang Winheim

über Überraschungen

Mehr noch als Fußball-Experten vor der EM haben politische Beobachter, Buchmacher und Medien vor dem Brexit geirrt. Doch bleiben wir bei der wichtigsten Nebensache, bei den Kickern:

Wer hätte gedacht, dass die EU-Aussteiger Wales und Nordirland noch im Achtelfinale gegeneinander um den EM-Weiterverbleib kämpfen würden?

Wer hätte gedacht, dass die Isländer nach Österreich nun auch den Engländern einen EM-Exit bescheren können?

Wer hätte gedacht, dass die EU-treuen Iren samt ihren irrnetten Fans in Frankreich gegen Frankreich heute noch Überstunden machen dürfen?

Wer hätte geglaubt, dass David Alaba selbst zu seinem 24. Geburtstag am 24. Juni, der als der schwarze Freitag in die EU-Historie eingehen wird, in diversen Foren und Medien abgewatscht werden würde?

Anders als auf dem EM-Feld, wo er in ungewohnter (von ihm selbst gewünschter) Offensivposition überfordert schien, bleibt der Bayern-Verteidiger in der Werbung omnipräsent. Ob Bank, Cola oder Möbelhaus – Alaba lächelt von Plakaten und Bildschirmen. Obwohl Everybody’s Darling zum Problemboy wurde.

Wer (zu) hoch gelobt wird, fällt tiefer. Gleiches war Andreas Ivanschitz anlässlich der Heim-EM 2008 widerfahren.

Auch Ivanschitz wurde zu jedem Empfang und vor jede Kamera geschleppt. Nachdem ihn Hans Krankl zum jüngsten Teamkapitän gemacht und Ivanschitz später, als sich Josef Hickersberger den Teamchefjob antat, schon als der Rekordnationalspieler von morgen gegolten hatte. Heute sieht die Fußball-Welt anders aus.

Ivanschitz, 32, wird kaum noch sein 70. Länderspiel vergönnt sein. Der 69-fache Internationale kann dennoch auf eine außergewöhnliche, einträgliche Karriere verweisen, auch wenn sich sein Salär bei den Seattle Sounders verglichen mit europäischen Fußballer-Gagen bescheiden liest. 271.520 Dollar hat der Burgenländer in seiner ersten Major-League-Saison verdient. Und damit kaum mehr als ein Zehntel dessen, was Toronto dem Wiener Basketball-Hünen Jakob Pöltl in dessen erster NBA-Saison garantiert.

Im US-Sport ist es üblich, Gehälter auf den Cent genau zu veröffentlichen. Wie viel Geld Arnautovic und Co. die EM brachte, bzw. wie viel sie sich durch das unerwartet frühe Out entgehen ließen, bleibt indes geheim. Wie überhaupt die Nachrichtensperre seit Marcel Koller das Sagen bzw. das Schweigen hat, besser noch als zuletzt die Torsperre funktioniert. Umso pikanter, dass mit der Krone just die Partner-Zeitung des ÖFB just Kollers Jahresgehalt just nach dem EM-Out veröffentlichte. Und Koller in der Verdienstrangliste unter 24 Teamchefs mit 1,5 Millionen Euro auf Platz sieben einreihte.

Derselbe Koller, der noch vor sechs Wochen von Wiens Bürgermeister Michael Häupl mit dem Goldenen Verdienstkreuz dekoriert wurde, ist nicht nur bei der Neidgenossenschaft ins Schussfeld geraten.

Wer hätte das gedacht?

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