Reif für 18.000 Inseln

Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Siegen oder fliegen, lautet für Vielflieger Riedl das Motto.

von Wolfgang Winheim

über Alfred Riedl

Er ist der Vielflieger der Fußballbranche. Selbst ÖFB-Teamstürmer Marc Janko, der gestern in Melbourne dem FC Sydney mit zwei Toren zu einem 2:1-Sieg verhalf, kann hinsichtlich Meilensammeln mit Alfred Riedl nicht mithalten. 66 Jet-Reisen hat der zwischen Pottendorf und Papua pendelnde Niederösterreicher heuer hinter sich. Denn Riedl, 65, ist wie schon 2011 Teamchef in Indonesien. Im größten moslemischen Land der Welt. Alle Fußballfans unter den 247 Millionen sind ganz auf den Suzuki-Cup, auf Südostasiens wichtigstes 12-Nationen-Turnier fokussiert.

Gespielt wird in Vietnam. Just dort, wo Riedl 2005 als vietnamesischer Teamchef Heldenstatus erlangt und ihm ein Fan sogar eine Niere gespendet hatte. Und wo Riedl mit Outsider Indonesien gestern zum Auftakt ein 2:2 gegen seine ehemaligen Schützlinge erreichte.

Schon im Oktober war es in Hanoi zu einem Wiedersehen gekommen. Als bekannt geworden war, dass Riedl beim Test gegen Hongkong auf der Tribüne saß, eilten Vietnams Spieler nach dem Aufwärmen spontan zu ihrem Ex-Coach, um ihm die Hand zu schütteln. Auf Wien umgelegt wäre das so, als hätten Fuchs, Garics, Prödl, Junuzovic vor Anpfiff des Brasilien-Spiels noch Josef Hickersberger in der VIP-Loge besucht.

Hickersberger-Freund Riedl bleibt nur dann in Indonesien, wenn seine kleinen Spieler wie beim 2:2 erneut über sich hinauswachsen und ins Finale kommen. Siegen oder fliegen, lautet für Vielflieger Riedl das Motto. Ein Absturz schien bis gestern vorprogrammiert.

Er habe noch nie als Teamchef (und das war Riedl in acht Ländern) so eine schlechte Vorbereitung erlebt. Dass es schwierig ist, im Land der 18.000 Inseln einen Überblick über die besten Kicker zu bekommen, nahm Riedl als gegeben hin. Dass er aber seit März mit über 60 Mann experimentieren musste, weil er seine Leistungsträger erst im November, erst zehn Tage vor Turnierstart bekam, ging ihm gewaltig an seine Spenderniere.

"In den Klubs hat ein Trainer hier wenig zu sagen. Da haben die Spieler alle Rechte." Deshalb sei’ s wichtig, sie möglichst lang im Camp zu haben. "Damit sie sich wieder an Disziplin und Teamwork gewöhnen."

Ein letzter Test hatte 0:2 geendet. Gegen Syrien. Gegen Kicker, die trotz des Bürgerkriegs 8600 Kilometer weit topfit nach Djakarta gekommen waren.

Als ehemals erster Teamchef Palästinas (der nie selbst in Gaza war) weiß Riedl, wie dankbar Spieler aus Krisen-Ländern sind, wenn sie via Sport Ablenkung finden. Aber er weiß auch, auf religiöse Sitten Rücksicht zu nehmen. In Indonesien ortet Arabien-Kenner Riedl diesbezüglich Toleranz. So wurde im größten moslemischen Land mit Ferdinand Sinaga soeben ein Christ zu Indonesiens Fußballer des Jahres gewählt. Riedl strich "den Ferdl" dennoch schweren Herzens aus dem 23-Mann-Kader. Weil er sich von anderen Kickern, darunter zweien aus Papua, mehr verspricht. Sportlich.

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