Entwaffnend

Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Sogar das Stadion-Trainingsfeld war zum Friedhof umfunktioniert worden.

von Wolfgang Winheim

über einen Bosnien-Besuch

93.000 bosnische Staatsbürger leben in Österreich. Manche von ihnen werden sich noch an das erste Länderspiel Bosniens im zerstörten Sarajewo erinnern, es war am frühen Nachmittag des 6. November 1996. Zu dieser Zeit galt noch nächtliche Ausgangssperre. An den Stadteinfahrten standen Panzer. Am Frühstücksbuffet im zur Hälfte ausgebrannten Hotel stellten sich das österreichische Schiedsrichter- und das KURIER-Reporter-Team neben KFOR-Soldaten an, die ihr Gewehr geschultert hatten.

Sogar das Stadion-Trainingsfeld war zum Friedhof umfunktioniert worden. Holzkreuze standen unter den torlosen Netzen. So schrecklich der Bürgerkrieg war, der Fußball habe von ihm profitiert, sagte Ivica Osim mit entwaffnender Ehrlichkeit, als sich Bosnien für die WM 2014 qualifizierte. Begründung: Viele Talente seien ins Ausland geflüchtet und hätten sich dort Disziplin angeeignet.

1996 siegte Bosnien zwar auch schon 2:1 gegen Italien. Doch damals handelte sich um ein Friedensspiel, in dem die Italiener auf die triste Situation der Gastgeber Rücksicht nahmen und Robert Sedlacek ein souveräner, nicht allzu sehr geprüfter Referee war. Mehr nervten danach die lange Warterei auf die Heimreise sowie ein Flug in einer mit kroatischen Soldaten besetzten Maschine über Schützengräben hinweg. Immerhin kamen wir noch rechtzeitig zum WM-Qualifikationsspiel gegen Lettland nach Wien, das Österreich vor nur 15.500 Besuchern 2:1 gewann. Teamchef Herbert Prohaska, die Austria-Legende, hatte mit Michael Konsel, Peter Schöttel, Andreas Heraf, Peter Stöger und Dietmar Kühbauer auf fünf Rapidler vertraut.

Heute ist Robert Sedlacek Wiens Fußball-Präsident; ist Prohaska ORF-Fußballexperte; ist Rapid im Nationalteam nicht mehr vertreten. Als einzige grüne Leihgabe an den ÖFB plärrt Rapid-Marketingleiter Andreas Marek als Stadionsprecher stolz imposante Zuschauerzahlen in den Prater-Himmel.

Marcel Kollers Legionärsauswahl ist auch auch ohne den populärsten Klub zum Publikumsmagneten geworden.

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