Ein Vorbild sagt Adieu

Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Nie hat er den Ski-Ausrüster gewechselt. Nie war Raich in Skandale verstrickt.

von Wolfgang Winheim

über Benni Raich

Die besten Skizeiten erlebte Benjamin Raich, als es Österreichs Fußball am schlechtesten ging. Zwischen 1999 und 2007. Alle Winter wieder ermöglichte er es uns Sportjournalisten, von Dauernörglern zu Jubel-Berichterstattern zu werden.

Jetzt schwingt Raich, 37, topfit ab. Er zieht künftige Vater-Pflichten einer 20. Weltcup-Saison vor. Marlies Schilds Ehemann kommt damit unbewusst Forderungen von Ferndiagnostikern nach, die im Patschenkino respektlos riefen: "Wann hört der Oide endlich auf?" Jedoch: Im Riesenslalom könnte der Alte immer noch viele Jüngere alt aussehen lassen. Er wird seinen Gruppe-1-Startplatz, den er als einziger ÖSVler neben Marcel Hirscher herausgefahren hat, nicht mehr nutzen. Darüber hinaus wird er als Leitfigur fehlen.

Raich ist die personifizierte Fairness. "Möglicherweise der fairste Sportsmann, gegen den ich je gefahren bin", twitterte der Norweger Aksel Lund Svindal.

Nie rutschte Raich ein unbedachtes Wort über die Lippen, auch wenn er einmal Wetter- oder Materialopfer war. Nie hat er den Ski-Ausrüster gewechselt. Nie war Raich in Skandale verstrickt. Selbst 2005, als er bei der WM fünf Medaillen errungen hatte und trotzdem nicht zum Sportler des Jahres gewählt wurde, wartete der Boulevard vergeblich auf einen Wutausbruch. Und als er 2006 bei Olympia zwei Mal Gold holte, ätzte ein deutsches Blatt, der Siegraiche habe eine Ausstrahlung wie Knäckebrot. Schweizer Medien aber würdigten Raich oft in ganzseitigen Berichten. Abgesehen davon, dass er in Adelboden drei Mal en suite auftrumpfte – mit seiner unaufgeregten Art kam der Tiroler bei den Eidgenossen ähnlich gut an wie der Schweizer Marcel Koller in Österreich.

Insgesamt gewann Raich 36 Weltcuprennen und 14 Medaillen bei Großereignissen. Nur ein sportliches Ziel blieb ihm versagt: ein Abfahrtssieg. Hermann Maiers Ex-Trainer Andreas Evers führte Raichs limitierte Gleitfähigkeiten schmunzelnd auf eine andere sportliche Leidenschaft und die dabei bekommenen O-Beine zurück: Raich hatte zu eifrig Fußball gespielt.

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