Doppelmoralisten spielen den Doppelpass

Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Doch ähnlich wie im IOC dominiert auch in der UEFA die Doppelmoral.

von Wolfgang Winheim

über führende Verbände

Bitte, bitte Karl! Ich will keinen Skandal", rief der Chef der Schweizer Zeitnehmung und lief Karl Schranz bis ins Hotel nach. Das war 1969 in Kitzbühel, wo der Schweizer Jean-Daniel Dätwyler zunächst als Abfahrtssieger galt, nachdem bei Schranz erst lange nach dessen Abschwingen die Zeitnehmung stehen geblieben war.

Warum eine 46 Jahre alte Ski-G’schicht auf einer Fußball-Seite aufgewärmt wird?

Weil es sich beim Schweizer, der den (dann tatsächlich zum Sieger erklärten) Schranz mit einer goldenen Uhr versöhnlich zu stimmen versuchte, um Joseph Blatter gehandelt hat. Um den FIFA-Boss, der mit so treuherzigem Augenaufschlag in vier Sprachen intrigieren kann.

Im Tango Korrupti des Fußballs schienen die Zeiten für den einstigen Zeitnehmer-Chef nach der Verhaftung von sieben seiner FIFA-Bonzen endgültig abgelaufen. Doch die Uhren bei der FIFA gehen anders.

Joseph Blatter, 79, will einfach nicht weichen von seinem wurmstichigen Stuhl. Obwohl er schon 2011 von seiner "endgültig letzten Amtsperiode" gesprochen hatte.

Und wie schon 2011 fallen ehemalige Weltstars verbal über ihn her. Nur wird der Ton von Jahr zu Jahr und von Skandal zu Skandal schärfer.

So spricht der vom Weltmeister und Barcelona-Star zum brasilianischen Regionalpolitiker gewordene Romario von "Ratten und Dieben, die ins Gefängnis gehören". Und so nennt Portugals Kicker-Ikone Luis Figo (Real, Barça), der seine Kandidatur zwei Tage vor der Abstimmung zurückzog, Blatters Wiederwahl einen "schwarzen Tag für den Sport".

Frankreichs einstiger, vom Blatter-Liebling zum Blatter-Gegner gewordener Ausnahmefußballer Michel Platini würdigt zwar als UEFA-Präsident den kollektiven Anti-Blatter-Kurs "seiner Europäer". Bloß schloss sich ausgerechnet der französische Verband nicht an und ... wählte Blatter.

Die Europäische Fußball-Union ist seriöser und straffer organisiert als die FIFA. Doch ähnlich wie im IOC (unter dessen Regie es für US-Lieblingssportarten bei Olympia nur lasche oder gar keine Dopingkontrollen gibt) dominiert auch in der UEFA die Doppelmoral.

Einerseits wettern Europäer am lautesten gegen Katar 2022, andrerseits hatten gerade die meisten von ihnen für die Wüsten-WM gestimmt. Und wenn jetzt Boykottmaßnahmen gegen Wladimir Putin und dessen Russland-WM 2018 innerhalb der UEFA laut werden, dann müssen sich die Schlüsselspieler des FC Scheinheilig alias UEFA die Frage gefallen lassen, warum sie dann ungeniert ihre UEFA-Champions-League von Gazprom sponsern lassen.

All diese Hinweise rechtfertigen Blatters Sesselkleben nicht. Intriganten-Sepp kann nur noch punkten, wenn er ab sofort gnadenlos aufräumen lässt und spätestens zu seinem 80. Geburtstag (10. März 2016) freiwillig abtritt. Andernfalls werden anerkennende europäische Worte über ihn erst irgendwann im Nachruf zu lesen sein.

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