Die vergessenen Champions

Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Mit den Plätzen 20 (Tanzen), 21 (Paarlauf), 32 (Damen) endete für Österreich die Eis-WM 2016. Im Herrenbewerb durfte in Boston erst gar kein Landsmann von Emmerich Danzer, 72, starten. Der dreifache Ex-Weltmeister sah von seiner Wiener Dachwohnung aus via Eurosport seinen ausländischen Nach-Nach-Nach-Nachfolgern fasziniert auf die Schlittschuhe. Hatte Danzer einst das Eis betreten, war halb Österreich vor Schwarz-Weiß-Fernsehapparaten gehockt.

Danzer hatte vor 50 Jahren Gold gewonnen. Und die Einser-Seiten der Zeitungen dominiert, zumal es sich 1966 um den ersten WM-Titel für Österreich seit 38 Jahren handelte. 1967 und 1968 wiederholte der geniale Kunstläufer sein Kunststück. Und Europameister wurde er vier Mal in Serie obendrein.

1966 wurden noch unter freiem Himmel zu Mittag Pirouetten gedreht. WM-Schauplatz war der Schweizer Nobel-Wintersportort Davos, wo Läufern allein schon wegen der Höhenluft selbige ausging.

Danzer bleibt unvergessen, wie er und sein ebenso begabter Landsmann Wolfgang Schwarz vor dem Hotel-Fernseher erblassten, als ein Japaner aus der Außenseiter-Gruppe beim Abgang kollabierte. "Wir haben den Apparat sofort abgedreht."

Die vergessenen Champions
Zwei Stunden danach besaßen die beiden Wiener den längeren Atem. Was im Falle von Danzer aufgrund einer viel später erfolgten unerwarteten Diagnose einem kleinen medizinischen Wunder gleichkam. "Bei mir haben Herzspezialisten ein Vorhofflimmern festgestellt." Ungeachtet dessen war Danzer mit ganzem Herzen auf dem Eis. Zuerst als weltbester Kürläufer, dann als Revuestar, schließlich als Trainer. Nicht weniger als 13 Jahre verbrachte der Sohn eines Wiener Gemüsehändlers in dieser Funktion in den USA.

Sonderfall

Anders als viele Legenden anderer Sparten schwärmt der Ex-Weltmeister von den aktuellen Champions seiner Sportart. "Heute muss ich oft zwei Mal hinschauen, weil ich mir denk’: Das gibt’s ja nicht, was die für Sprünge schaffen", sagt Danzer.

Was er auch sagt: Dass zu seinen goldenen Zeiten zwei Drittel des (schon damals zwei Mal täglichen) Trainings auf Kosten der Kür für das Üben von insgesamt 43 Pflichtfiguren draufgingen. Es galt, millimetergenau Spuren ins Eis zu zeichnen.

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Kurier Archiv
Dieser – wegen TV-Untauglichkeit – inzwischen abgeschaffte Pflichtbewerb lag ehrgeizigen Damen besser. Zumindest behauptet Danzer: "Gegen dieTrixi Schubahätten wir Herren in der Pflicht keine Chance gehabt."

Die Olympiasiegerin von 1972 war von 2002 bis 2006 österreichische Eis-Präsidentin, nachdem sich Danzer dieses Ehrenamt beim Verband schon von 1995 bis 1997 angetan hatte und später ("als Nachfolger vom Otto Schenk") Präsident des Wiener Eislaufvereins am Heumarkt war.

Kriminalfall

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Emmerich Danzer
Inzwischen ist es um Danzer ruhig geworden. Mehr wurde im Bad-News-Zeitalter über seinen einstigen KonkurrentenWolfgang Schwarzberichtet. Nur nicht mehr auf Sportseiten.

Der Olympiasieger fasste wegen einer dubiosen Entführungsg’schicht (als Opfer galt eine rumänische, noch nicht großjährige Milliardärstochter) zehn Jahre Arrest aus. Eine Strafe, die Danzer als viel zu hoch empfand. "Der Wolferl konnte halt nie mit Geld umgehen. Aber a schlechter Kerl ist er nicht", sagt Danzer über den einstigen Rivalen. Über den Mann, der ihm die begehrteste Medaille wegschnappte, als nicht er, der hochfavorisierte Wiener Danzer, sondern der drei Jahre jüngere Wiener Schwarz bei den Winterspielen 1968 in Grenoble zum Sieger gekürt wurde.

Nach der Haftentlassung von Schwarz war es Danzer, der seinen unberechenbaren ehemaligen Gegner noch am selben Abend "beim Do&Co zum Essen" einlud.

Längst ist auch Danzers Kontakt zu Schwarz gerissen. Der dreifache Ex-Weltmeister vermutet den Olympiasieger in einer eisfreien Gegend, darauf hoffend, dass man ihn dort nicht ausrutschen lässt. Sein Tipp: "Irgendwo in der Karibik."

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