Der letzte Olympia-Torschütze aus dem Gemeindebau

Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Elf Minuten vor Schluss drosch Grohs den Ball aus 18 Metern mit seinem gefürchteten Linken zum 4:3 ins Kreuzeck.

von Wolfgang Winheim

über Hebert Grohs

Besuch bei Herbert "Tscharry" Grohs im Döblinger Karl-Marx-Hof auf der 22er-Stieg’n. Seit 63 Jahren wohnt der ehemalige Nationalspieler in Österreichs größtem Gemeindebau. Seit 64 Jahren darf Grohs behaupten, der letzte österreichische olympische Torschütze im Fußball gewesen zu sein.

Nach Olympia 1952 konnten sich österreichische Kicker nie mehr qualifizieren. Ein Mitgrund: Es ist inzwischen im Fußball wesentlich schwerer, zu Olympia (nur vier Startplätze für Europa ) als zu einer WM (13) zu kommen. So mussten selbst die Deutschen 28 Jahre auf ihrer ersten olympischen Fußball-Sieg warten, der in der Vorwoche mit einem 10:0 über die Fidschi-Inseln allerdings sehr deutlich ausgefallen ist.

Heute trifft Deutschland, gecoacht von Horst Hrubesch, mit Bundesliga-Jungstars im Semifinale als letzter europäischer Vertreter auf die Auswahl aus dem Heimatland von David Alabas Papa, auf Nigeria. Während im zweiten Halbfinalspiel Barcelona-Superstar Neymar für Brasilien gegen Außenseiter Honduras einläuft. Letzterer ließ im letzten Herbst schon die US-Auswahl und deren Coach Andreas Herzog in der Qualifikation verzweifeln.

Im Fußball wird das Abschneiden bei Olympia nicht zuletzt vom Goodwill der Klubs beeinflusst, für die keine Abstellungspflicht besteht. Das war schon 1952 so, als ein großteils aus "Provinzlern" gebildetes Amateurteam ohne Rapidler und Austrianer zu den Sommerspielen nach Finnland flog.

Sparringpartner für Finnland

Im Eröffnungsspiel vor 33.000 in Helsinki, wo Österreich nur als Sparringpartner für die Gastgeber vorgesehen war, verlief zunächst alles programmgemäß. Die mit ihrer Nationalelf angetretenen Finnen führten 2:0 und 3:2. Doch die No-Names aus Österreich bäumten sich immer wieder auf. Und elf Minuten vor Schluss drosch Grohs den Ball nach einem Corner aus 18 Metern mit seinem gefürchteten Linken zum 4:3 ins Kreuzeck. Im nächsten Spiel gegen Schweden traf Grohs erneut. Trotz eines unglücklichen 1:3, das das Ausscheiden bedeutete, kehrten die Österreich vier Wochen lang nicht heim. "Weil uns der Fußballbund nix zugetraut und schon lang vor Olympia den sofortigen Heimflug gebucht hatte." Danach aber, erinnert sich Grohs verschmitzt grinsend, habe es einen Monat lang keine Tickets, "dafür aber täglich für jeden von uns einen Dollar Taggeld gegeben".

Der letzte Olympia-Torschütze aus dem Gemeindebau
Herbert Grohs

In den Folgejahren sollte der vom Grazer SC nach Wien zurückgeholte Wiener wiederholt wochenlang in Südamerika hin- und herfliegen. Zuerst mit Wacker und dann mit der Vienna, die nicht zuletzt dank Tscharry Grohs auch österreichischer Meister und als solcher zum international begehrten Tourneengast wurde. Und heute?

... ist die Vienna nur noch Drittligist und der 85-jährige Grohs drei Tormann-Ausschüsse von Karl-Marx-Hof entfernt ein treu mitleidender Tribünengast.

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