Schweizer Heimsieg: 57 Starter, 0 Verletzte

Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Der Sport dient inzwischen nicht nur in unter sozialem Elend ächzenden Ländern zur Ablenkung vom Alltag

von Wolfgang Winheim

über Sport-Begeisterung

Wie geht’s uns Rennfahrern doch gut. Wir haben einen Beruf in einer so prächtigen Landschaft. Und drunten in der Wüste fliegen die Bomben", hatte Abfahrtsmatador Peter Wirnsberger heute vor genau 25 Jahren zu seinem jungen Rennkollegen Gernot Reinstadler im Wengener Hotel Alpenrose gesagt, auf das einzigartige Bergpanorama deutend.

20 Stunden später verblutete Reinstadler am Lauberhorn. Der 21-Jährige war in der Zielkurve gestürzt und so unglücklich im Netz hängen geblieben, dass Gefäße platzten.

Der Tragödie verdanken inzwischen mehrere Generationen von Abfahrern, dass schlimmere Verletzungen verhindert wurden. Denn die Netze wurden nach Reinstadlers Unfall an heiklen Stellen (nicht nur am Lauberhorn) durch Planen ersetzt, das Ziel-S wurde verbreitert.

Der Pitztaler Doppel-Olympiasieger Benjamin Raich, dessen Jugend-Vorbild der Pitztaler Reinstadler gewesen war, wird am Sonntag, ehe er für den ORF den Slalom analysiert, wie alle Winter wieder andächtig vor dem Wengener Zielhaus stehen. Die dort angebrachte Gedenktafel erinnert an das letzte Todesopfer im Herren-Ski-Weltcup. 19. Jänner 1991.

Drei Tage zuvor war der Golfkrieg ausgebrochen. Worauf das US-Team fluchtartig Wengen verließ. Und der damalige deutsche Slalom-Star Armin Bittner eine Absage der Ski-WM 1991 forderte.

Die WM 1991 ging in Saalbach dann doch – mit Gold für Petra Kronberger, Ulli Maier, Stephan Eberharter und den im selben Jahr bei einem Autounfall tödlich verunglückten Rudi Nierlich – anstandslos über die Kunstschneebühne. Obwohl es viele gab, die Bittners Meinung teilten. Argument: In Anbetracht des Golfkrieges wäre es pietätlos, sich für eine Ski-WM zu begeistern.

Zu diesem Zeitpunkt ahnte niemand, dass es bald in Europa zu noch schrecklicherem Blutvergießen (Balkankrieg) kommen würde. Und dass im nächsten Jahrtausend viele Menschen in westlichen Wohlstandszonen, abgestumpft durch tägliche Terrormeldungen, eine Jetzt-erst-recht-Stimmung erfassen würde. Der Sport dient inzwischen nicht nur in unter sozialem Elend ächzenden Ländern zur Ablenkung vom Alltag. Dazu hat sich Fußball im Süden stets besonders geeignet.

Schweizer Heimsieg: 57 Starter, 0 Verletzte
Canada's Benjamin Thomsen falls during the Alpine skiing FIS World Cup menÕs downhill event on January 16, 2016 in Wengen. AFP PHOTO / VALERIANO DI DOMENICO

Hierzulande sind die immer noch hohen TV-Ski-Quoten nicht bloß mit Nervenkitzel zu erklären, sondern vielleicht auch ein bissel damit, dass sich der TV-Konsument unbewusst nach fröhlichen Mienen und schönen Landschaftsbildern sehnt. Und von Letzteren hat das Lauberhorn-Rennen (Kitzbühel möge verzeihen) mit Eiger, Mönch und Jungfrau als Kulisse mehr als jede andere Weltcupregion zu bieten. Sofern nicht Nebel über die Piste zieht.

Hannes Reichelt behielt trotz schlechter Sicht den Durchblick. Nur Aksel Lund Svindal hat ihn übertroffen und im Ski-Ländermatch gegen Österreich auf 11:5 Siege für Norwegen erhöht. Und die Schweizer? Die haben trotz ihrer Heimschlappe gewonnen. Zumindest als Veranstalter: 57 Starter, 1 Sturz, 0 Verletzte.

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