Roms Wege nach Hernals führen über die Steiermark

Ein kleiner steirischer Kicker hat Österreich zum größten Camp Europas gemacht.
Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Inzwischen gilt Österreich als Europas beliebteste Sommer-Adresse.

von Wolfgang Winheim

über die Trainingslager der Top-Klubs

Wie sagte doch Helmut Qualtinger einst? "Die Stierkämpf’, a matte Sache. Simmering gegen Kapfenberg – das nenn’ ich Brutalität."

Jahrelang trug Nikolaus Pichler dazu bei, dass dieser Spruch des legendären Kabarettisten bei Gastspielen Wiener Kicker auf Kapfenberger Boden die Aktualität nicht verlor.

Am 26. Dezember des Jahres 1976 ließen die Kapfenberger, angetrieben vom überehrgeizigen Pichler, auch Hans Krankl und Co. steirische Härte spüren. Rapid wurde im Cup zu einem 120-Minuten-Kampf gezwungen. Doch dann blieb das Weihnachtswunder aus, weil just Pichler den entscheidenden Elfer verschoss.

Heute muss die Hotellerie Pichlers sommerliche Aktivitäten empfinden wie Weihnachten und Ostern zusammen. Denn der kleine Steirer gilt als der Pionier des Fußball-Tourismus, der dem heimischen Fremdenverkehr schon unzählige Gäste und noch viel mehr Schillinge bzw. Euros beschert hat.

Im Jahr 1996 war Pichler ("Inspiriert durch einen Südtiroler") auf die Idee gekommen, ausländische Topklubs für steirische Trainingslager zu ködern.

Inzwischen gilt Österreich als Europas beliebteste Sommer-Adresse.

Inzwischen hat Innsbrucks ehemaliger Stadionsprecher Ralph Schader parallel zu Pichler Spitzenklubs vornehmlich nach Westösterreich geholt und sich das Vertrauen prominenter Trainer nicht nur erredet.

Inzwischen genießt Salzburg bei ausländischen Spitzenvereinen einen vorzüglichen Ruf, ungeachtet der unliebsamen Vorfälle beim Testspiel Maccabi HaifaLille in Bischofshofen, wo israelische Spieler von pro-palästinensischen Unruhestiftern attackiert wurden.

Inzwischen machten Kärntner mit dem Gastspiel von Chelsea gegen Wolfsberg, das statt der erhofften 12.000 Besucher gar 30.000 in die Wörthersee-Arena lockte, ein gutes Geschäft.

Und inzwischen gaben Arsenal und Coach Arsene Wenger Ostösterreich schon zum zehnten Mal die sommerliche Ehre.

Heuer kamen die Londoner für die Aufenthaltskosten selber auf. Obwohl es ausländischen Gemeinden viel Geld wert gewesen wäre, hätten auf deren Almwiesen Arsenal-Stars werbewirksam gegen den Ball getreten. Als Gegenleistung erbat sich der Österreich-treue Wenger in Bad Waltersdorf indes nur, von der Öffentlichkeit beim viertägigen Training in Ruhe gelassen zu werden.

Auch der AS Roma kommt dank Pichler heuer schon zum zehnten Mal. Zwar nicht zum Nulltarif, dafür aber können Pichler und seine steirischen und burgenländischen Mitarbeiter die Testspiele vermarkten, die großteils nach Italien übertragen werden.

Totti in Hernals

Am 15. August gastiert der AS Roma beim Wiener Sportklub in Dornbach. Für Superstar Francesco Totti, 37, mag es einen Kulturschock bedeuten, wenn er sein Versace-Sakko an einen rostigen Nagel zu hängen hat.

Auf dem Sportclub-Platz sieht es immer noch so aus wie zu Zeiten, als Totti noch nicht einmal geboren war. Und als der Sportclub, jener mit "c", noch dem Oberhaus angehörte.

Jetzt spielt der Sportklub, regelmäßig angefeuert von 1500 jungen Fans, in der dritten Leistungsstufe.

Der Simmeringer SC ist, während Kapfenberg immerhin noch der zweiten Bundesliga angehört, gar in die vierten Leistungsstufe auf den vorletzten Platz abgesackt. Kaum Geld, kaum Zuschauer, kaum Aussicht auf Besserung. Auch das ist Brutalität.

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