In Wien artet die Leichtathletik-Situation zum Langzeit-Skandal aus.

von Wolfgang Winheim

über die Leichtathletik-Situation in Österreich.

In der Leichtathletik ist die Akademikerdichte am größten. Das war schon so, als der spätere Universitätsprofessor Ernst Soudek den Diskus auf Rekordweiten warf. Und das wird in der Elementsportart auch so bleiben. Je gebildeter die Leut’, desto mehr steigt freilich deren Bereitschaft zur Kritik. Schon zu Liese Prokops Weltrekord-Zeiten hatte es kaum ein Meeting ohne Wickel gegeben. Und auch Europas aktuellen Champions (zu denen leider keine Österreicher mehr zählen) können es Veranstalter mit Doktor-Titel nie recht machen. Der deutsche Olympiasieger, Diskus-Europameister und Bachelor in spe, Robert Harting, nannte schon vor der Zürcher EM die Leichtathletik-Funktionäre verstaubte alte Zöpfe, die sich bei Übertragungen endlich die TV-Profis vom Skispringen zum Vorbild nehmen sollten. Und bei der EM selbst wird Wettfluchen zum Zusatzbewerb, nachdem es im Regen zu einer Pannenorgie kam, die in Messfehlern gipfelte. Die deutsche Weitspringerin Melanie Bauschke verließ heulend die Sandgrube, als ihr ein 6,79-m-Satz aberkannt wurde. Davon profitierte auch die Russin Darja Klischina, die vom deutschen TV-Kommentator als Wienerin bezeichnet wurde, zumal sie tatsächlich oft an der Donau anzutreffen ist. Unter anderem als Model vor Kameras. Die schöne Darja gewann Bronze. Doch es wäre Selbstbetrug, ihre Medaille als „made in Austria“ zu verkaufen, nur weil sie zuweilen in der Südstadt trainiert. So wie auch Stabhochsprung-Teenager Kira Grünberg kein Produkt des Systems ist. Im Gegenteil: Die Tirolerin, die sich so sprunghaft gesteigert hat, muss immer wieder Tirol verlassen, um trainieren zu können. Und in Wien artet die Leichtathletik-Situation ohnehin zum Langzeit-Skandal aus. Im Happel-Stadion fand in diesem Jahrtausend noch kein Meeting statt. Einen Speerwurf daneben im Prater weist die Laufanlage des um 800.000 Steuer-Euro umgebauten Cricket-Platzes in den Kurven um zwei Bahnen weniger als auf den Geraden auf. Damit ist Wiens neues LA-Zentrum nur für die Meisterschaften von Schilda geeignet.

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