Brasilianisch

Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Eine durchschnittliche Liga-Karte kostet 100 Euro

von Wolfgang Winheim

über Fußball in Brasilien

Knapp ein Monat nach der 7:1-Sensation von Belo Horizonte: In Deutschland (Start der zweiten Liga) wird wieder, in Brasilien noch immer Fußball gespielt.

Jedoch: Der Besucherschnitt in Brasiliens überregionaler oberster 20er-Liga sank unter 15.000 pro Spiel. Was weniger mit dem WM-Frust, sondern – wie der in São Paulo ansässige österreichische Fußballlehrer Markus Schruf glaubt – mit den hohen Eintrittspreisen zu tun hat.

Eine durchschnittliche Liga-Karte kostet 100 Euro. Ums gleiche Geld kann ein Rapid-Anhänger bis zu fünf Rapid-Heimspiele im Happel-Stadion miterleben. Umgelegt auf das Durchschnittseinkommen in Brasilien geht dort fast ein Sechstel vom Monatslohn für einen Matchbesuch drauf. Trotzdem, sagt Schruf, habe auf den Tribünen der Black Block den Yellow Block abgelöst. Soll heißen: Im Gegensatz zur WM, bei der Vertreter aus der Ober- bzw. oberen Mittelschicht das Zuschauergros stellten, gehen zu den Vereinsspielen viel mehr dunkelhäutige Fans. Aus den ärmeren Schichten stammen auch die Talente, die Schruf in seinem (vom Staat geförderten) Sozialprojekt ausbilden lässt. Die Errichtung eines Fußballplatzes in einer Favela ist das nächste Ziel.

Um Brasiliens WM-Hauptdarsteller braucht sich trotz der verpatzten WM niemand Sorgen zu machen: Neymar, der nach der kolumbianischen Rambo-Attacke Märtyrer-Statuts erlangt hat, wird sich demnächst topfit in Barcelona zurückmelden. Der gefeuerte Teamchef Luiz Felipe Scolari fand bereits in Porto Alegre einen mit 200.000 Euro pro Monat dotierten Job. Und WM-Versager Fred wird bald auch wieder gut honoriert für Fluminense auf Torjagd gehen.

Warum Scolari im 198-Millionen-Einwohner-Land keinen besseren Stürmer als Fred fand, ist vielen Experten bis heute ein Rätsel. Die Behauptung sei erlaubt: Mit dem bis Mittwoch unbekannten Reynaldo, der in der Champions-League-Quali die Red-Bull-Verteidiger in Baku steif wie Dosen aussehen ließ, hätte die Seleção mehr WM-Wirkung erzielt. Schruf: "Und mit Alan von Salzburg erst recht."

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