Abgezockter Neymar und dann lang nichts

Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Was die Popularität betrifft, "kommt zuerst der Neymar und dann lang nichts."

von Wolfgang Winheim

über die Olympischen Spiele in Brasilien

753 Tage nach der Fußball-WM in Brasilien = vier Tage vor Olympia. Oder genau genommen nur noch zwei. Denn das Fußballturnier beginnt schon vor der Eröffnungszeremonie.

Noch habe die meisten Brasilianer das olympische Feuer nicht erfasst, berichtet der österreichische Lehrer-Legionär Markus Schruf. Er kennt mehr noch als Markus Rogan, der als Sportpsychologe Brasiliens Olympiateam verstärken wird, die Gefühlswelt der Gastgeber.

Der ehemalige Austria-Jugendtrainer hat in der Red Bull-Akademie von São Paulo den nunmehrigen Leverkusen-Profi Ramalho entdeckt. Hat später einen Erstligaklub in Rio gecoacht. Und parallel dazu ein Sozialprojekt mit nunmehr 30 Fußballschulen aufgebaut, das inzwischen unter Schirmherrschaft von Inter Mailand steht.

Schruf pendelt zwischen Mailand, São Paulo, Rio und brasilianischen Krisenregionen, wo Kickerei gekoppelt mit Schulunterricht nach wie vor die wirksamste Methode ist, um Kinder vom Elend und den Tücken der Straße wegzubringen. Und wo Fußball trotz der WM-Blamage 2014 und dem neuerlichem Scheitern der Seleção vor sechs Wochen bei der Copa America immer noch den höchsten Stellenwert genießt. Obwohl Brasilien, so Schruf, über großartige Schwimmer und Leichtathleten sowie über das beste plus schönste Damen-Volleyball-Team der Welt verfüge. Aber was die Popularität betrifft, "kommt zuerst der Neymar und dann lang nichts."

Der Barcelona-Star wird als Kapitän am Donnerstag in Brasilia die brasilianische Olympiaauswahl zum ersten Gruppenmatch gegen Südafrika aufs Feld führen. Für die sportliche höherwertige Copa America hatte Neymar indes von seinem spanischen Brötchengeber keine Spielerlaubnis erhalten, worauf er sich während der Copa-America-Zeit in Las Vegas an der Poker-WM beteiligte und dort unter Profi-Zockern prompt die Vorrunde überstand.

Dass David Alaba vom FC Bayern zu einem Schnapsturnier nach Velden anstatt zu Österreichs Nationalteam geschickt wird, ist vorerst auszuschließen. Wäre in Mitteleuropa ebenso unvorstellbar wie die brasilianische Tatsache, wonach eine Unterbrechung der Fußball-Meisterschaften während Olympia nicht einmal angedacht wurde. Vielmehr wird auch in den kommenden August-Wochen nationaler und regionaler Kick in fast schon inflationärem Ausmaß übertragen. Oder wie es Fußball-Lehrer-Legionär Schruf ausdrückt:

"Um alle Fußball-Spiele hier zu sehen, müsste man drei Fernsehapparate haben." Wegen Olympia werde sich jedenfalls kaum wer einen vierten kaufen. Zumal sich viele der 201 Millionen Brasilianer nach wie vor nicht einmal einen Fernsehapparat leisten können.

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