Radetzkymarsch

Der 3. Bezirk und ich, wir waren nie ein inniges Duo. Zwar habe ich dort einmal gelebt, ihn aber nicht geliebt. Ein Stadtspaziergang war also kaum geplant. Bis zu dieser Fahrt mit der Straßenbahnlinie 1. Von der Urania, durch das Weißgerberviertel hin zum Donaukanal, vorbei am Radetzkyplatz. Die Überraschung war groß: Wann ist der denn so lebendig geworden? Also kam ich wieder für eine Platzinspektion.

Erster Stopp: das Café Menta. Mitbesitzer des entspannten Szenelokals ist Ilhan Dogan, Macher vom Do’An am Naschmarkt oder der Schönen Perle beim Karmelitermarkt. Dieser Herr hat ein Gespür für aufstrebende Grätzel. Schließlich ist er immer vor den anderen da. Den Radetzkyplatz hat er vor zwei Jahren entdeckt. Vor dem Menta war hier ein Sonnenstudio.

Dogan, der Grätzel-Flüsterer, sollte recht behalten. Der Platz brummt heute regelrecht – und das liegt nicht nur an der surrenden S-Bahn. Renovierte Altbauten, neue Lokale und Läden: Dem beschaulichen Viertel wurde Leben eingehaucht.

Ein Traditionsbetrieb am Platz ist das Wild, ein Gasthaus mit moderner Karte und schönem Garten. Und erst im Oktober hat das nächste Lokal eröffnet. In einem der S-Bahnbögen liegt nun das Garage01. Abgeklopfte Ziegelwände, Glasfassaden, die offene Küche mitten im Raum, dazu ein Team mit spanischen, venezolanischen und tschechischen Wurzeln. Diese Vielfalt schlägt sich in der Karte nieder: Es gibt Schinkenbrote, lateinamerikanische Eintöpfe, Kofola (tschechisches Cola mit Kräutern). Am Wochenende finden Konzerte statt. Dazu vibriert die Schnellbahn über den Köpfen.

Nicht nur der Radetzky marschiert, der ganze Bezirk ist im Aufbruch. Wien Mitte hat nun eine Mall, die Landstraße einen netten Vibe bekommen. Vielleicht wird aus dem Dritten und mir also doch noch was. Zum Abschied gab es jedenfalls ein Pekannuss-Caramel-Cookie in der Bäckerei Radetzky. Ein vielversprechendes Ende für das erste Date. Liebe geht bekanntlich durch den Magen.