Boulevard der Eitelkeiten

Anna-Maria Bauer

Anna-Maria Bauer

Oh Gott, siehst du die im Neon-Bikini?, sagt John-Lennon-Brillenfau. Schaut aus wie aus dem Sexshop

von Anna-Maria Bauer

über die Gäste des Krawa

Es gibt Dinge, die muss man im Sommer in Wien einfach tun. Zum Beispiel ins Krapfenwaldbad – für Eingeweihte: Krawa – gehen.

Dazu muss man wissen: Im Krawa geht es nicht so sehr ums Baden, sondern darum, zu sehen (unter anderem weil es in Wiens höchstgelegenem Bad auch vom Pool eine geniale Aussicht gibt) und noch mehr darum, gesehen zu werden.

Wenn Kritiker dieser These argumentieren, dass Freibäder in der ganzen Stadt den Besuchern als Laufsteg dienen, erwidere ich: Das Krapfenwaldbad ist der rote Teppich unter den Wiener Bade-Laufstegen, das Vorzeige-Bad der "Vorstadtweiber".

Das war schon so, als ich als Jugendliche mit dem nicht klimatisierten 38A den Berg hinauf zuckelte; das ist im Sommer 2016 nicht anders, als ich die alten Holzhäuschen und das Föhrenwäldchen hinter mir lasse und auf das Sportbecken zusteuere: Im Becken tragen immer noch die meisten Gäste Sonnenbrille, weil sie mit ihren gestylten Frisuren sowieso nicht untertauchen würden; am Beckenrand sitzen immer noch so viele Menschen, dass man kaum ins Wasser kommt.

Auf den Betonplatten gleich neben dem Becken hat sich an diesem Tag eine Gruppe durchtrainierter, braun gebrannter Männer um die 50 niedergelassen. Während sie von ihren Privatjet-Ausflügen und Porsches erzählen, lassen sie ihren Blick unter den Sonnenbrillen über die (Silikon-)Rundungen ringsum schweifen. Wenige Handtücher weiter liegen zwei – von vielen – topgestylten Frauen; eine mit Kopftuch, knallroten Haaren und verspiegelter John-Lennon-Brille; die andere mit bunten Tätowierungen am ganzen Körper. Aus den iPhone-Lautsprechern tönen aktuelle Hits. Dazu werden die anderen Badegäste ausgerichtet. "Oh, Gott, siehst du die im Neon-Bikini? Schaut aus wie aus dem Sexshop", meint die John-Lennon-Brillen-Frau und zupft im nächsten Moment ihr hautenges Tanga-Bikinihöschen zurecht.

Ach ja, Krawa, bei dir ändert sich einfach nichts – aber das ist auch irgendwie beruhigend.

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