Dopamin, die Sau

Ein Mann, eine Frau und ein „One-Kopierkammerl-Stand“ mit der Arbeitskollegin. Das kann passieren, wenn er sich auf die Suche nach dem Kick begibt. Ein Kick, der vor allem durch bestimmte Botenstoffe im Gehirn ermöglicht und daher ersehnt wird. Hauptdarsteller: Dopamin, der Dark Vader des Belohnungszentrums im Kopf.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Botschaft: Lass-uns-es-tun!

von Gabriele Kuhn

über Dopamin

Nach der ersten Flasche Wein war’s dann mit der Contenance der sonst braven F zu Ende: „Männer sind halt Schweine“, formulierte sie lapidar. Zuvor hatte sie sich das etwas langatmig geratene Dramolett ihres Gegenübers angehört. M’s Chronik eines länger angekündigten Ehebruchs. Der „ihrige“, nun auch schon 21 Jahre im Bindungsboot, war den Reizen einer Arbeitskollegin erlegen. „Eh nur ein einziges Mal“, wie er nicht müde wurde, zu beteuern. Um gleichzeitig die Tücken eines daheim vergessenen Smartphones zu verfluchen. Denn erst die „Ich bin so feucht“-Whats App, die mitten in das begehbare Garderoben-Idyll des Ehepaars ploingte, sorgte für das ungewollte Outing. Pech. Während er bereits handylos im Büro weilte, erörterte seine Frau gerade die Tagesoutfit-Frage. Nach Whats-App-Empfängnis fiel ihre Wahl auf die Farbe Rot.
Schließlich öffneten die Freundinnen eine weitere Flasche Sprit, diesmal in Form von Gin, um mögliche strafrechtliche Konsequenzen zu erörtern. Ein Fall für eine Trennung sei so ein Ausrutscher keiner, aber einer für eine Lektion. Prost. Der Begriff „Sexit“ formierte sich zu einer Ansage seitens F: „Bestraf ihn mit drei Monate Sex-Aus“. M hielt inne, weil sie gestehen musste, dass ihr Libidopegel sich schon vor seinem One-Kopierkammerl-Stand (auch OKKS) auf „Sexit“-Niveau eingependelt hatte. Und dies möglicherweise ein Mitgrund für seinen Trip in eine andere Beckenlandschaft war. „Verstehst du“, sagte sie, „immer ist was: die Kinder, die Migräne, die Regel, die Hormonschwankungen. Da bleiben kaum Slots für den Exzess“. Pech: Denn genau danach sehnen sich selbst die treuesten Ehemänner, und wenn es nur heimlich vor dem Laptop oder in der verträumten Gedankenwelt der Morgenlatten-Dämmerung ist. Mögliches Erklärstück: Dopamin, die Sau unter den körpereigenen Stoffen. Quasi das Kokain des Körpers. Es flutet das Belohnungssystem immer dann, wenn’s Oh Là Là wird: beim Sex, beim Sport, beim Bestehen einer Herausforderung. Da regiert dann das „Wenn ich nur aufhören könnt-Prinzip“. Wählt der Mann eine neue Sexualpartnerin, geht’s nicht nur mit der Fleischeslust bergauf, sondern auch mit dem Dopaminpegel. Dann wird das Belohnungs-Epizentrum im Kopf geflutet, – geil, geiler, am geilsten. Es ist übrigens auch das Dopamin, das beim Fummeln oder Schmusen zum drängenden Weitertun verführt; Botschaft: Lass-uns-es-tun! Bis zum alles erlösenden Orgasmus. Der Dopamin-Gegenspieler heißt Oxytocin, das Kuschelhormon. Lieb, aber langweilig und treuer Begleiter des „marital boredom“, auf Deutsch: eheliche Langeweile. Was tun? Erst einmal akzeptieren, dass es unmöglich ist, mit einem Langzeitpartner permanent im sexuellen Dopaminrausch dahinzusurfen. Damit der Spiegel aber nicht völlig in den Keller rasselt, kann man für andere „Dopamin-Flow-Erlebnisse“ sorgen. Das ist, zugegeben, kein perfekter Ersatz für einen guten Fick, aber es stopft die High-Löcher auf konstruktive Art, und nicht durch Affären, Seitensprünge, Zerstörung. Heißt: Ein Paar muss lebendig bleiben, andere Wege gehen, sich immer wieder neu erfinden, die Beziehung am Surren, Tönen und Schnurren halten. Dann geht was. Und ganz nebenbei gibt’s ja noch den Frontallappen im Hirn: Dort sitzt das, was wir gemeinhin als Vernunft bezeichnen Oder Intelligenz.

gabriele.kuhn@kurier.at

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