Sex: Winkel-Züge

Fitness-Tracker sind beliebt – sie vermessen, was wir täglich tun: atmen, schlafen, gehen, laufen. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis ein Tool sexuelle Akvititäten ins Visier nimmt. „Lovely“ ist der erste Penis-Tracker, er misst Sex-Position, Tempo und den Einfallswinkel des männlichen Geschlechtsteils. Fragt sich nur: wozu?
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Ein Schwanz ist ja kein Kreuzfahrtschiff, das Kurs aufnehmen muss, Hauptsache drin.

von Gabriele Kuhn

über den ersten Penis-Tracker

Quantify yourself“ ist ein Trend aus der Gesundheitsbranche. Die Idee: Ein Mensch vermisst sich und sein Tun – vom Puls bis zu den getanen Schritten pro Tag. Das Vermessene wird schließlich in Zahlen und Bilder gegossen, sodass der vermessene Mensch abends gemütlich auf irgendeinen Bildschirm starren kann, um zu sagen: „Super, heute habe ich trotz Schnupfen original 500 Schritte mehr gemacht als vor einem Jahr am gleichen Tag ohne Schnupfen.“ Da kommt Freude auf – oder aber von Kontrollwahn ausgelöste To-do-Panik.

Es war natürlich nur eine Frage der Zeit, bis die Vermessungs-Wut die Intimzonen der Menschen erreichen wird. Das Tool „Lovely“ ist so ein Beispiel – es wird als Fitnesstracker für den Penis gehandelt. Ursprünglich mit dem Gedanken entwickelt, etwas zu erfinden, das den Kalorienverbrauch beim Akt misst, wurde daraus dann doch etwas ganz anderes. Nämlich ein Ding, das zugleich „misst“ und stimuliert – also die Daten auf einem 16 Megabyte-internen Speicher ablegt. Die wiederum via Smartphone-App synchronisiert werden. Wobei mir noch nicht ganz klar ist, wie das Ding auf den Penis kommt. Ja, offensichtlich ist da ein Loch in der Mitte – aber was konkret tun? Beziehungsweise: wie überhaupt?

In meiner Fantasie sind zwei geil, daher drauf und dran, miteinander zu schnackseln. Doch dann – Halt, Stopp, Momenterl – hält er plötzlich inne und fängt in seinem Nachtkasterl zu nesteln an. Parallel dazu sagt er: „Schatz, warte einen Hauch, ich muss erst in den Penis-Tracker hineinschlüpfen.“ Schatz wartet – und wundert sich vermutlich.
Außerdem: Was genau misst Lovely eigentlich? Nun, laut Hersteller werden nach Überstülpen die Bewegungen des Paares während des Akts aufgezeichnet, danach von der App ausgewertet und in eine Performance-Skala gegossen (von wow bis naja). Konkret werden also Sex-Position, Geschwindigkeit und Einfallswinkel des Penis gemessen. Sex-Position und Geschwindigkeit – okay, die zwei Parameter als Maß der Dinge lasse ich mir noch einreden, das hat den gewissen Fun- bzw. Erkenntnis-Faktor. Irgendwann also sitzt so ein Lovely-User vor der App und geht den persönlichen Bettsport-Jahresrückblick durch. 55-mal Missionar, 40-mal Doggy-Style, 365-mal Onanie. Geilo! Bei der Geschwindigkeit bin ich mir aber schon nicht mehr so sicher – ist wirklich wissenswert, ob man mit 55 km/h oder 3 km/h gepempert hat? Und hat das nicht jede Menge Konfliktpotenzial? Dann, wenn Madame mit dem Smartphone in der Hand herumfuchtelt und sagt: „Ja, genau schau, da hast du dich besinnungslos gebumst und ich bin genau deshalb nicht gekommen …hier hast du den Beweis!“

Besonders rätselhaft erscheint mir allerdings die Sache mit dem Winkel. Ja, wir wissen, dass jeder Penis anders steht. Ein bissl nach links, ein bissl nach rechts, ein bissl nach oben. Auch abhängig vom Alter. Je jünger, desto steiler – etwa 20 Grad über der Horizontalen. Wobei Männer ab 40 gerade noch die Waagerechte erreichen. Doch wozu muss jemand wissen, wie so ein Typ in die Vagina sticht? Ein Schwanz ist ja kein Kreuzfahrtschiff, das Kurs aufnehmen muss, Hauptsache drin. Aber vielleicht ist das manchen Technik-Fans schlicht zu wenig.

gabriele.kuhn@kurier.at

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