Jugendsünden

Die Welt, in der wir leben, ist zeigefreudig geworden – Intimsphäre war gestern. Heute jagen junge Menschen freizügige Bilder und Filme von sich ins Netz. Ohne zu bedenken, was damit passieren könnte. Dazu gehören auch filmisch-fotografische Zeitzeugnisse von Ex-Lieben.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Von wegen „Delete-Modus“ – das Netz vergisst nichts.

von Gabriele Kuhn

über das Recht auf Vergessenwerden

Darum geht’s aber gar nicht. Sondern um das Recht auf die Löschung all dessen, was einmal gewesen ist. Den guten wie den schönen Fotos, den guten wie den schönen Briefen. Das war eine Form persönlicher Freiheit, die ich sehr schätzte. Und heute? Heute tragen immer mehr Menschen ihr gesamtes Liebesleben in digitalisierter Form im Taschl herum – in Form von SMS, Whats-App-Nachrichten, Fotos und Filmchen. In einer Ära von „Too much information“ teilt jeder alles mit allen – was wir essen, was wir denken, was wir fühlen und ob die Katze gerade mehr haart als der Hund. Aber nicht nur das. Vor allem junge Menschen finden es total lustig, sehr persönliche und intime Momentaufnahmen erst festzuhalten, um sie dann am virtuellen Dorfplatz herzuzeigen.

„Selfies“ fotografieren sich gefühlte 1.000 Male täglich, posend, Grimassen schneidend, freizügig. Nicht nur – er schaut ihr per App zwischen die Beine. Sie spaziert mit den Bildern seiner Penis-Exhibition herum. Und weil’s so lustig ist, wird all das geinstagrammt, gepinterested, in die Welt gejagt – Likes machen Lust. Wem die Unbewegt-Bildchen nicht reichen, der holt sich Apps wie etwa Snapchat. Mit deren Hilfe lassen sich Einzelbilder zu sekundenschnellen Sex-Mini-Videos zusammenfügen. Weil Snapchat damit wirbt, dass sich die Kurzfilme bzw. die „Diashows“ nach Versenden selbst zerstören, verwenden sie junge Menschen häufig, um einschlägiges Material von sich oder anderen herzuzeigen. Doch dann stellte sich heraus, dass die Sexting-App alle empfangenen Snap-Chats in einem eigenen Ordner auf dem Smartphone speichert. Von wegen „Delete-Modus“ – das Netz vergisst nichts. Das ist auch das Fatale daran – wo einst das „Recht auf Vergessenwerden“ galt (maximal hat der Ex-Habschi ein paar Fotos von Madame an der Wand oder im Kasten picken gehabt), gehen heute viele mit den Bild gewordenen Erinnerungen digital hausieren. Oft einmal aus Jux und Tollerei, manchmal aus Rache. Und vielfach aus Achtlosigkeit. So kann’s dann vorkommen, dass Sexszenen die Runde machen und ein Eigenleben entwickeln – ohne dass die Hauptdarsteller überhaupt um Erlaubnis gefragt wurden. Im schlimmsten Fall landet das Zeug auf den Bildschirmen kaputter Typen, die sich daran aufgeilen. Viel Spaß. Eine gute Idee gibt’s gerade in Kalifornien: Bis zum 18. Geburtstag sollen Nutzer sozialer Netzwerke alle Fotos, Filme und Texte per Knopfdruck entfernen können – per Gesetz. Das wird dennoch niemanden daran hindern, einmal gemachte Fotos in die weite Welt zu verschicken. Eigentlich wäre alles so einfach: Man könnte auf solche Fotosessions schlicht pfeifen.

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