Kleider machen Beute

Ein niederländischer Designer und flinker Geist hat’s erfunden: Ein Kleid, das im Moment der Erregung durchsichtig wird. Klingt im ersten Moment charmant – auf den zweiten Blick gibt es Fragen.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Woher weiß das Kleid, dass es sich um Herzrasen aufgrund akuter Geilheit handelt?

von Gabriele Kuhn

über die neuste Modeerfindung.

Beim Anblick eines Vibrators muss ich – selten, aber doch – an die Erfindung der Schiffsschraube denken. Da surrt’s in meinem Kopf und ich erinnere mich an Menschen wie Josef Ressel.

Wer hat’s erfunden?, denke ich mir also beim Vibrator – vor allem aber: Wer war die Mutter, der Papa der Idee? Wie kommt’s, dass heute im Fachgeschäft so ein Double-Dildo-Super-Vierfach-Hochgeschwindigkeits-Dingsda in Froschgrün herumkugelt und darauf wartet, von einer Dame eingeführt zu werden? In solch hochgeistigen Momenten geht meine Fantasie mit mir ein wenig durch und ich lande in durchaus abgründigen Geschichten, die Hausfrauenkost à la „Fifty Shades of Grey“ locker in den Schatten stellen würden. Aber egal.

Interessant jedenfalls, was kreativen Geistern alles so einfällt. Etwa einem niederländischen Designer namens Daan Roosegaarde. Der hat soeben ein „Hightech-Kleid“ erfunden, das bei sexueller Erregung durchsichtig wird. Die Hülle für Zeigefreudige hat den Arbeitstitel „Intimacy2.0“ – eine Art Schnittstelle zwischen Hightech und Körperfunktion. Die Trägerin hüllt sich in eine trübe Smartfolie und ein wenig Leder – bei Herzrasen, wie sie etwa bei Erregung üblich ist – wird der Fetzen transparent. Auszug aus dem PR-Text (Achtung, die nun folgenden Zeilen enthalten Product-Placement aus dem Genre „Unanständig“): „Die Wireless-Technologie ist unter anderem gekoppelt mit Kupfer, LED-Lichtern und anderen elektronischen Medien. Die Stufe der Transparenz richtet sich dabei nach dem Grad der Körpererregung.“

Aha. Interessant. Frage Nummer eins: Woher weiß das Kleid, dass es sich um Herzrasen aufgrund akuter Geilheit handelt? Also mein Herzschlag erhöht sich ja mitunter auch, wenn ich die zehnte Depperte an der Supermarkt-Kassa bin und die Kassierin so tut, als hätte sie Baldriantinktur gefixt. Steh ich dann gerade in Intimacy2.0 mit meinen Zutaten für Hühnercurry an Eiernudeln und zwei Packungen Häuslpapier (weil: Zahl 1, nimm 2) herum, und die Folie wechselt ihre Beschaffenheit: Blöd, sehr blöd. Erregt bin ich übrigens in der Arbeit, um 17.10 Uhr, wenn der Herr Kollege sagt: „Ein bissl brauch ich noch, Frau Chef.“ Und ich weiß, a.)das Bissl ist eine halbe Stunde und b.) der Redaktionsschluss ist eigentlich längst vorbei. Dann würde mein Kleid aber sowas von in der Sekunde durchsichtig. Nicht auszudenken: Da sitz ich, rege mich über den Brodler auf und sehe, was ich sehe. Eine Folie, die sich wundersam wandelt. Und in dem Moment kommt der Chef vom Dienst und sagt: „Frau Kuhn, bitte in den 4. Stock zur Ressortleiterbesprechung.“

Fazit: Das Kleid ist kein Alle-Tage-Kleid und wohl nur dazu da, ausgeführt zu werden, wenn in der Folge etwas eingeführt werden soll. Was mich flugs zu Frage Nr. 2 führt: Warum gibt es eigentlich noch keine Intimacy2.0-Hose? Ich finde den Gedanken nicht uncharmant.

So ein Ständer im Transparent-Look setzt Spekulationen und Fehleinschätzungen endlich ein Ende. Die wunderbar wandelbare Folie offenbart, was der Herr wirklich in der Hose hat – die ganze Dimension seiner Erregung. Und ich muss sagen: Das fände ich speziell an der Supermarktkassa nicht ganz unspannend.

gabriele.kuhn@kurier.at

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