Welt im Weltkrieg

Niki Glattauer

Niki Glattauer

Das Leben wird immer unlustiger, dagegen ist man in der lustigsten Klasse nicht gefeit.

von Niki Glattauer

über Weltkriege

Ich schreibe leider nicht mehr so lustig wie früher, mailt mir Franz Z. Eh, Herr Kollege, aber das liegt auch daran, dass das Leben immer unlustiger wird, dagegen ist man in der lustigsten Klasse nicht gefeit. Bestes Beispiel jetzt Erster Weltkrieg in der 3A. Erster Weltkrieg eh schon traurig genug, Verdun, Isonzo, der Kaiser in Wien zum Sterben, Sisi auch schon länger tot. Und dann fragt Marko in einer schönen Stunde: – Wann darf man zu einem Krieg eigentlich Weltkrieg sagen?– Wenn er sich über die ganze Welt ausbreitet, würde ich sagen.– Also wie heute.– Wieso wie heute. Welcher Krieg breitet sich heute über die ganze Welt aus?– Na alle.

Der Bub hat natürlich recht. Der pseudoreligiös argumentierte Terror (Frankreich, Tunesien, Belgien), die Kriege in Syrien, Gaza, Jemen, Somalia, Ukraine oder Myanmar (nur sechs der weltweit 30, die aktuell geführt werden) sind global geführte Kriege, vor allem aber sorgen sie für Flüchtlingsströme, wie es sie globaler bisher nicht gegeben hat: 59,5 Millionen Menschen, stand im KURIER, waren 2014 weltweit auf der Flucht, davon 20 Millionen in ein anderes Land.

Das nenne ich einen Weltkrieg. Es sagt bei uns nur keiner so dazu. Warum? Weil wir europazentriert denken. Weil e i n m a l nicht Europa im Epizentrum dieses Weltkriegs liegt. Weil e i n m a l nicht Europa das Epizentrums des Leidens ist, sondern nur sein Zeuge.

Vermutlich liegt genau darin der Hund auf der Schatzkiste unseres Kuchens begraben, von dem wir so ungern ein paar Krümel hergeben: Wir glauben mit dem Weltkrieg "da draußen" nichts zu tun zu haben. Sollten wir nicht umdenken? Begreifen, dass der Krieg da draußen uns schon in den Klauen hat? Anders als in den zwei Weltkriegen davor sind wir im aktuellen Weltkrieg in der glücklichen Lage, nicht die Bomben, sondern nur die Bombenopfer abzubekommen; und erstmals müssen wir nicht die Not selber ertragen, sondern nur jene, die davor flüchten. Atmen wir also tief durch. Und dann helfen wir ihnen, die in diesem Weltkrieg alles verlieren oder bereits verloren haben, und seien wir stolz darauf, dass wir es können.

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