Neujahrswunsch

Niki Glattauer

Niki Glattauer

Meiner lautet heuer: Ich möchte nächstes Jahr bitte ein besseres Image.

von Niki Glattauer

über Neujahrswünsche

Bekanntlich rechnest du als Lehrerin ja nicht in Kalenderjahren, sondern in Schuljahren. Wenn du also zu Silvester sagst: Gleich nächstes Jahr wird gefastet, beginnst du im September Diätpläne zu sondieren, Ende November denkst du dir dann einen anderen Neujahrsvorsatz aus. Was ich damit sagen will: Neujahrswünsche macht die Lehrerin Ende Juni. Meiner lautet heuer: Ich möchte nächstes Jahr bitte ein besseres Image.

Und beginne bei der Begründung mit dem Wochen-Protokoll meiner Kollegin Alexandra M., NÖ, das sie in ihrem Mail an mich so einleitet: "Ich wünsch mir Politiker/innen und selbst ernannte Bildungsexperten/innen eine Woche zu mir an die Schule. Von 7 Uhr bis 15 Uhr. Diese Woche: 1) Rettungseinsatz wegen psychotischem Schub einer Schülerin 2) Mutter erzählt von Wegweisung des Vaters. Anrufe bei Polizei, ob das eh alles so stimmt. 3) Schüler X sagt zu Schüler Y " Du bist ein gef... Hu...ensohn, daraufhin schlägt Schüler Y Schüler X. 4) Schülerin A bewirft Schüler B am Nachmittag mit Steinen – Krankenhaus! 5.) Anruf einer WG: Schulverweigerin, 12 Jahre, sucht Platz. Aber ja, her damit...! 6) Schüler F hat in zwei Monaten 600 Minuten Verspätung angehäuft, er darf diese ab nächster Woche "abarbeiten" ("Oida..!"). Dazwischen schreib ich Listen... Ah ja, Schulfest hab ich auch morgen…"

Lehrberuf – Traumberuf? Eher Trauma-Beruf. Zumindest dort, wo es zugeht wie bei Kollegin M. Aber denkst du, dafür kriegt unsereiner die Tapferkeitsmedaille? Geh wo! Stattdessen lese ich 1 x pro Woche, dass wir faul sind und zum Ausgleich überbezahlt.

Genau dagegen will jetzt die Lehrerin Doris Zöser ankämpfen. In ihrem sympathischen Büchlein "anerKENNEN Sie Lehrer?" (€ 19,90 z. B. bei amazon) lädt sie "alle Entscheidungsträger in Politik, Gewerkschaft und Wirtschaft dazu ein, mit mir an einem Strang zu ziehen und so das Image der LehrerInnen zu verbessern." Ihr Zugang: "Bildungsreform durch Motivation." Frage an die tapfere Kollegin: "Kann denn eine Image-Kampagne das kollektive Bewusstsein verändern?" Die Antwort ist eine Gegenfrage: "Hätten Sie sich vor zehn Jahren gedacht, bei McDonald’s einen Kaffee zu trinken?" Auch wieder wahr.

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