Liebes Christkind!

Niki Glattauer

Niki Glattauer

Liebes Christkind, mach bitte, dass Ö1 bleibt, wie es ist.

von Niki Glattauer

über Weihnachtswünsche

Weil du ja jetzt dann kommst, heute schnell noch mein Wunsch, und der Einfachheit halber hat er mit Schule ausnahmsweise rein gar nichts zu tun. Hier mein Wunsch: Liebes Christkind, mach bitte, dass Ö1 bleibt, wie es ist. Mach, dass mein Lieblingsradiosender, dieses für mich einzig gültige Argument für ORF-Gebühren, sein Gesicht behalten darf, sein eigenes, unverwechselbares, schönes Gesicht.

Ö1 droht nämlich der totale, weil schleichende Identitätsverlust: Dafür verantwortlich weniger die bevorstehende Übersiedlung auf den Küniglberg (schlimm genug für gute, alte Bäume, jetzt verpflanzt zu werden), als die geplante Neuorganisation des Programms. Dem Vernehmen nach – und ich vernehme es quasi aus erster Hand – wird Ö1 nach dem Umzug strukturell an ein "multimediales Newscenter" und inhaltlich an "Kultur, Wissenschaft und Religion" andocken, sprich künftig jene Krümel vom Kuchen kriegen, die aktuell nicht aufgegessen werden. "Best of rest" nennt das bezeichnenderweise der aktuelle Programmchef Peter Klein. Man kann es auch anders ausdrücken: Fläche statt Nischen, Quoten statt Noten, News statt Feuilleton, und wo bisher noch Stil war, wird ganz der Style Einzug halten. Liebes Christkind, bitte lass das nicht zu!

Es war seinerzeit die stimmliche Anmut Friederike Raderers, übrigens viele Jahre AHS-Lehrerin, die mich mit ihren "Pasticcios" in den Ö1-Bann gezogen hat, heute will ich ohne Hubert Arnim-Ellissen, Andrea Maiwald, Christa Eder, Martin Haidinger, Otto Brusatti, Dorothee Frank, Heinz Janisch, Günter Kaindlstorfer und wie sie alle heißen weder in die Tage hinein noch aus diesen wieder heraus. Die "Spielräume", um eine Sendung zu nennen, haben Richard Hawley, Bill Callahan und zuletzt Sarah Ferri in mein Leben gebracht, Miriam Jessa Gianmaria Testa und Poulenc – und von den vielen großartigen Textbeiträgen rede ich gar nicht.Kurz, liebes Christkind, habe ich überlegt, ob ich mir lieber eine Bildungsreform wünschen sollte. Aber dann hab ich mir gesagt, a) kriegst du die wahrscheinlich selbst nicht hin und b) freut mich ehrlich die beste Schule nicht, wenn ich zu Hause das Radio nicht mehr aufdrehen kann …

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