Mängel

Die wöchentliche Kolumne von Ulla Grünbacher.
Ulla Grünbacher

Ulla Grünbacher

Der Vermieter ist zur Herstellung der Barrierefreiheit bei einer behindertengerechten Wohnung verpflichtet.

von Mag. Ulla Grünbacher

über ein Urteil

Die Unterlassung einer Rüge bei der Übergabe einer Wohnung ist nicht als Verzicht auf Beseitigung von Mängeln zu verstehen.

Der Fall: Für eine behinderte Frau, die im Rollstuhl sitzt, wurde ein Mietvertrag über eine entsprechend ausgestattete Wohnung abgeschlossen. Im Beiblatt zum Vertrag wird extra erwähnt, dass das Objekt unter Heranziehung öffentlicher Fördermittel den Bedürfnissen körperbehinderter Menschen angepasst ist. Zum Zeitpunkt der Besichtigung war die Wohnung jedoch nicht entsprechend ausgestattet: Türschwellen, zu gering dimensionierte Türrahmen, das Postfach war zu hoch angebracht und die Haustüre konnte nicht selbständig geöffnet werden, die Vermieterin sicherte Adaptierungen zu. Nach Vertragsabschluss wurden die Umbauarbeiten vorgenommen. Probleme machten jedoch die Balkone mit ihrem 30 Zentimeter hohe Schwellen.

Die Mieterin beanstandete gerichtlich die Nichtbenützbarkeit der Balkone. Die Beklagte lehnte die Durchführung der Arbeiten mit der Begündung ab, dass die Mieterin die Wohnung besichtigt habe und über den Zustand Bescheid gewusst hatte. Das Erstgericht urteilte, die Klägerin hätte bei der Übergabe der Wohnung den Mangel beanstanden müssen. Der Oberste Gerichtshof sah dies aber anders. Wird eine Wohnung ausdrücklich als Behindertenwohnung vermietet, besteht eine vertragliche Verpflichtung des Vermieters zur Herstellung eines barrierefreien Zugangs zu den mitvermieteten Balkonen. Dies gilt unabhängig von einer vor oder nach Mietvertragsabschluss erfolgten ausdrücklichen Zusicherung der Mängelbehebung.

ulla.gruenbacher@kurier.at

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