Von den arbeitslosen Akademikern

Warum sich in Österreich nur sieben Prozent der ausgebildeten Kicker als Profis etablieren können.
Paul Scharner

Paul Scharner

Es muss also das Ziel sein, mehr Spieler nach England zu verkaufen

von Paul Scharner

über österreichische Fußballer

Die für mich noch immer unvorstellbare Summe von 3,2 Milliarden Euro wird durch den neuen TV-Deal in die Premier League fließen. Daneben wirken die für den deutschen Kick bezahlten Millionen lächerlich gering, von den rund 20 Millionen in Österreich ganz zu schweigen.

Wie kann Österreich von dieser Geldschwemme profitieren? Die deutschen Ligen sind als Markt für unsere Fußballer schön langsam ausgereizt. Österreich steht dort bei der Legionärs-Liste als Herkunftsland schon auf Platz eins. Mehr geht nicht.

Es muss also das Ziel sein, mehr Spieler nach England zu verkaufen – für künftig noch absurdere Preise, durchaus für das Dreifache, von den in Deutschland gebotenen Ablösen. Davon würden wiederum unsere Bundesligisten profitieren. Und nur darum geht es.

Alle miteinander müssten endlich einsehen, dass Österreich nur als Ausbildungsliga funktionieren kann. Beispiele wie Grödig beweisen, dass es nichts bringt, die Bundesliga künstlich als ein Qualitätsprodukt zu vermarkten, das es nie sein kann – allein schon von der Größe her.

Zu einer Ausbildungsliga gehört natürlich eine funktionierende Ausbildung, diese kann nur mit einem ganzheitlichen Ansatz erfolgreich sein. Mit diesem Thema beschäftige ich mich seit dem Rücktritt noch intensiver.

Auch wenn jetzt viele aufschreien mögen, behaupte ich: In Österreichs Nachwuchs-Fußball wird mittlerweile ein Ausleseverfahren betrieben wie beim beinharten "System Schröcksnadel" aus dem Skifahren – und das ist nicht die Lösung. Es wird dabei vergessen, dass die Weltsportart Fußball mit dem Skisport aber gar nicht vergleichbar ist. Das sind zwei verschiedene Welten.

Nur sieben Prozent der Akademie-Spieler etablieren sich als dauerhafte Profi-Kicker. Das reicht bei der (zu großen) Anzahl von zwölf Akademien zwar, um billig die Vereinskader zu füllen. Sieben Prozent sind aber nur am Kapitalmarkt eine gute Quote, nicht im Fußball – wo es immer noch in erster Linie um den Menschen und die beste Entwicklung von Jugendlichen gehen sollte.

Zum Vergleich: In Belgien und den Niederlanden schafft es rund ein Drittel aus den Akademien zum Profi-Kicker. Dabei wäre die technisch-taktische Ausbildung bei uns mittlerweile ja auch in Ordnung. Nicht umsonst sind Österreichs Auswahlen bis zur U19 bei der Europaspitze dabei. Bis zur Weltspitze ist es allerdings noch ein langer Weg.

Tipp ans AMS

Der Übergang in den Profibereich funktioniert schlecht. Warum? Weil Technik, Taktik und Kondition nur ein kleiner Teil auf dem Weg zum Profi sind. Es fehlt an der Persönlichkeitsentwicklung. Das AMS würde sich viel ersparen, wenn frühzeitig mehr in die Persönlichkeit und emotionale Intelligenz investiert werden würde. Ich sehe daher mehr Sinn in einer zweckgebundenen Jugendsteuer als in einer Reichensteuer.

Es braucht mehr Kontakt mit den Talenten, mehr Kommunikation, mehr Aufklärung über Chancen und Risiken. Angesetzt werden muss aber auch bei den Eltern: Viele sind überzeugt, dem nächsten Messi zuzuschauen, sehen aber nicht, dass ihr "Burli" Gefahr läuft, als verwöhnter "Fratz" das Talent vor der Profikarriere zu vergeuden.

Meine Vision: Ein Absolvent der Akademie, der es nicht zum Profi schafft, soll als Persönlichkeit so gut ausgebildet werden, dass er später zum Beispiel eine leitende Position in einem großen Betrieb einnehmen könnte. Oder sogar selbstständig erfolgreich wird – das würde unserem Fußballbusiness gut tun! Das verstehe ich als ganzheitliche Ausbildung.

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