Menschliche Entwicklung statt Druck im Nachwuchs

Warum Red Bull ein Gewinn ist, Ogris zur Dauerlösung werden könnte und woran es in der Ausbildung hapert.
Paul Scharner

Paul Scharner

Was Red Bull aufgebaut hat, empfinde ich absolut als Bereicherung für Österreich und den Fußball generell.

von Paul Scharner

über das Red-Bull-Investment

Meine beiden Ex-Klubs Salzburg und Austria treffen heute aufeinander. Wobei ich bei den Gastgebern präzisieren muss: Ich war noch bei der Salzburger Austria unter Vertrag. Das Herumgeschiebe der aktuellen Bullen gefällt mir nicht, weil für mich auch im Spitzensport immer der Mensch im Vordergrund stehen muss. Was Red Bull rundherum aufgebaut hat, empfinde ich aber absolut als Bereicherung für Österreich und den Fußball generell.

Endlich stehen das Konzept, die Philosophie und die nötige Infrastruktur im Vordergrund. So klare Strukturen wie bei Red Bull sind nötig, um international aufzuholen. Da unsere Liga mangels Größe und Einnahmen ohnehin nur die Rolle einer Ausbildungsliga erfüllen kann, ist es auch logisch, dass Salzburg zum Ausbildungsverein für Leipzig wird.

Auch die Austria und Rapid – sowie ihre Fans – müssen sich daran gewöhnen, Spieler für größere Ligen auszubilden. Wenn das so früh wie in Holland erkannt worden wäre, würden die Transfereinnahmen jetzt schon in der Höhe der niederländischen Liga liegen.

Bei der Austria erwarte ich, dass der bisherige Amateurcoach Andi Ogris – ähnlich wie damals Zoki Barisic bei Rapid – verstärkt auf "seine" jungen Talente bauen wird. Den Beteuerungen, dass Ogris im Sommer wieder zu den Amateuren muss, glaube ich nicht. So wie Barisic hat er die Chance, durch die Rettung der Europacup-Quali mit einem verjüngten Team zur Dauerlösung zu werden.

Akademie-Arbeit

Zufrieden geben darf sich aber kein Wiener Klub mit dem Status quo, speziell die Austria nicht. Eigentlich müssten aus ihren Akademien jährlich so viele Talente hervorgehen, dass ein qualitativ starker Kader garantiert werden kann. Warum das nur teilweise funktioniert?

1.) Das Training im Nachwuchs: Erst kürzlich hatte ich eine heftige Diskussion mit einem Jugendleiter, der stolz erzählt hat, dass die 10-Jährigen jetzt auch schon vier bis fünf Mal zum Training müssen. Wer öfters fehlt, fliegt aus dem Landesausbildungszentrum (LAZ). Das ist der falsche Weg, weil die individuellen Bedürfnisse negiert werden und keine Zeit für den Ausgleich bleibt. Jeder Einzelne entwickelt sich unterschiedlich schnell. Viele verlieren durch diesen Druck die Freude am Fußball. Wichtiger wäre, im Nachwuchs auch auf die menschliche Entwicklung zu achten. Denn niemand braucht Jung-Kicker, die glauben, sie wären schon Messi!

2.) Die körperliche Schwäche: In den Akademien liegt der Fokus auf der technisch-taktischen Entwicklung. Ich kenne prominente Bundesliga-Spieler, deren aerobe Schwelle (auch Basislaktat genannt) bei 10 km/h liegt. Überspitzt formuliert: Nach einem 20-Meter-Sprint braucht man fünf Minuten Erholungszeit, um wieder belastbar zu sein. Das kann ein Hobby-Kicker auch schaffen.

Zum Vergleich: Bei internationalen Stars liegt die aerobe Schwelle, über der die Ermüdung einsetzt, zwischen 15 und 17 km/h.

Der weitläufige Verzicht von Teamchef Marcel Koller auf Spieler aus der österreichischen Bundesliga liegt also weniger an technischen Mängeln. Vielmehr fehlt es an der körperlichen Stärke auf internationalem Niveau.

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