Es wird zu viel Einheitsbrei produziert

Paul Scharner

Paul Scharner

Ich frage mich aber, warum immer wieder kleine Männer glauben, den Diktator spielen zu müssen?

von Paul Scharner

über Sepp Blatter & Co

Blatter-Skandal, Formel-1-Wickel, ÖSV-Streitereien – eines verbindet diese Sport-Aufreger: Die männlichen Machthaber erwecken den Eindruck, am Napoleon-Syndrom zu leiden. Um das klarzustellen: Ich habe nichts gegen kleine Menschen. Ich frage mich aber, warum immer wieder kleine Männer glauben, den Diktator spielen zu müssen? So wie Blatter, Schröcksnadel und Ecclestone.

Dass Blatter jetzt geht, ist ein gutes Zeichen. Es wäre aber naiv zu glauben, dass in einem System wie der FIFA jetzt über Nacht alles besser wird. Dazu benötigt es einen echten Reinigungsprozess, der länger dauern wird.

Funktionärs-Diener

Unpassend, aber einer inneren Logik folgend, finde ich auch das Erscheinungsbild der nun in den Fokus gerückten FIFA-Funktionäre – Männer, meist zwischen 65 und 85 Jahren alt. Offensichtlich muss man erst einmal zehn Jahre abdienen, um in die Entscheidungsebenen vordringen zu dürfen. Das kommt nicht von ungefähr: In einem Jahrzehnt geht jede Energie für Reformen verloren, da wurde noch jeder zurecht gebogen. Passend dazu wollen die Funktionäre dann auch die Sportler kleinhalten. Darum geht es ja im aktuellen Streit mit Anna Fenninger und ihrem Management.

Ich erinnere mich, wie Hermann Maier den Talentescouts des ÖSV durchgerutscht war und erst als Maurer und Einzelkämpfer noch den Sprung in den Ski-Zirkus schaffte. Als Folge zog der Skiverband damals die Zügel an, um nicht noch einmal ein außergewöhnliches Talent aus den Augen zu verlieren. Seither fokussiert der Verband noch stärker auf die Hoffnungsträger, bindet sie frühzeitig und sorgt mit den Athletenvereinbarungen auch dafür, dass die Sportler nicht mehr "auskommen" bzw. rauskommen.

Dabei ist es das gute Recht von Anna Fenninger, Verbesserungen in ihrem Umfeld vorzunehmen, wenn sie das Gefühl hat, in ihrer Entwicklung anzustehen. Ich finde es schade, dass der ÖSV nicht bereit ist, den Sportlern mehr Freiraum zu geben. Das Ziel müssen mündige Sportler sein. Ich bin überzeugt, dass sie in Extremsituationen besser damit umgehen können, die volle Leistung abzurufen.

Ähnliche Tendenzen gibt es auch im Fußball. Immer früher, immer mehr und immer stärker nach fixen Plänen werden die Kleinsten trainiert. Es gibt sicher schlimmere Beispiele wie den Drill der Kleinkinder in China für das "Sportsystem". Aber in Österreich müsste alles daran gesetzt werden, dass sich unsere Talente auch als Menschen frei entwickeln können. Dass sie über den Horizont blicken dürfen. Aber ohne Laissez-faire-Erziehungsstil. Auch wenn die Ausbildung in Österreich verbessert wurde, warne ich davor, dass in den Akademien zu viel Einheitsbrei produziert wird. Nur als Beispiel: Es ist kein Zufall, dass ein Spielertyp wie Philipp Schobesberger nicht aus einer Akademie kommt.

Er muss sicher noch lernen, um auf ein internationales Niveau zu kommen, und der Rapidler mag für einen Trainer nicht der einfachste Typ sein – aber gerade solche ungewöhnlichen, immer seltener zu findenden Sportler bringen die Würze in den heimischen Einheitsbrei.

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