Bürgerforum statt Politiker-Gefecht

Das veraltete ORF-Konzept „Jeder gegen jeden“ würde abschrecken statt informieren
Daniela Kittner

Daniela Kittner

Wie viele Leute wollen wirklich fünfzehn Konfrontationen innerhalb weniger Wochen sehen?

von Dr. Daniela Kittner

über veraltete Elefantenrunden

Die Politiker-Konfrontationen im staatlichen Fernsehen sind das wichtigste Medienereignis in einem Nationalratswahlkampf. Die Konfrontationen werden auch heuer wieder stattfinden, aber ihre Form gerät nun in Diskussion – und zwar innerhalb und außerhalb des ORF.

Der Grund: Das Setting – jeder Parteichef tritt gegen jeden an – stammt aus einer Zeit der mächtigen, mit Zweidrittelmehrheit regierenden großen Koalition. Ihr gegenüber stand damals in Person Jörg Haiders ein großer Herausforderer. Das heißt, es gab weniger, dafür aber bedeutendere Akteure.

Bürgerforum statt Politiker-Gefecht

Heute liegen SPÖ und ÖVP gemeinsam nur noch bei 50 Prozent und das Protest-Lager ist in drei Parteien gespalten. Was einst Haider allein war, ist heute die Summe ausStrache, StronachundBucher. Aber der ORF hat sein Konzept an die neuen Gegebenheiten nicht angepasst – was nun hinterfragt wird. Mit steigender Anzahl von Parteien und abnehmender Bedeutung der einzelnen Akteure wird die Jeder-gegen-jeden-Variante zunehmend unpraktikabel und sinnlos. Sechs Parlamentsparteien bedingen rein mathematisch fünfzehn Konfrontationen. Wie viele Leute wollen wirklich fünfzehn Konfrontationen innerhalb weniger Wochen sehen?

Auch inhaltlich muss man sich fragen, was die Bürger davon haben, wenn sich mehr oder weniger bedeutende Politiker in 45 Minuten bei Themen quer durch den Gemüsegarten ihre eingelernten Stehsätze ausrichten.

Dabei hat der ORF selbst ein tauglich scheinendes Alternativ-Konzept entwickelt, das bei seinen Zusehern sehr gut ankam. In der Wehrpflicht-Auseinandersetzung vor der Volksbefragung gab es ein Bürgerforum, das eine Million Zuseher hatte – eine Anzahl, die die kühnsten Erwartungen der ORF-Verantwortlichen übertroffen hatte.

Beim Bürgerforum unter der souveränen Leitung von Peter Resetarits wurden Bürgerfragen eingebaut, und die Politiker waren gezwungen, bei der Diskussion in die Tiefe zu gehen, weil es in der Sendung kein Ausweichthema gab. Man musste zur Sache reden.

Unter Wahlkampf-Strategen gab es von Beginn an Unbehagen mit dem geplanten Konfrontations-Hype im ORF. Norbert Darabos, Bundesgeschäftsführer der SPÖ, artikuliert das Unbehagen erstmals öffentlich. „Ich will nicht den Eindruck erwecken, dass ich dem ORF Vorschriften machen will. Aber ich habe wirklich Bedenken, dass die vielen Zweier-Konfrontationen eher eine Wählervertreibung bewirken als eine Wähler-Information.“

Die Bürgerforen, so Darabos, seien das „bessere Format. Sie sind lebendiger und beziehen die Bürger mit ein“. Von Bürgerforen über Themen, die die Leute interessieren, würden die Zuseher mehr haben als von „Spiegelfechtereien zwischen zwei Politikern“, sagt Darabos.

Im Büro von Vizekanzler Michael Spindelegger sieht man das Problem ähnlich. Spindelegger-Sprecher Thomas Schmid: „Worüber wird man im Wahlkampf reden müssen? Erstens über Themen des täglichen Lebens wie Wohnen, Energiekosten usw.; zweitens über Makroökomisches wie Budgetsanierung und Euro; drittens über Europa im Allgemeinen und viertens zumindest noch über Bildung. In 45-minütigen Zweier-Konfrontationen bleibt man gezwungenermaßen an der Oberfläche hängen. Hingegen würden Bürgerforen zu den wichtigen Themen den Zusehern viel mehr bringen.“

Im ORF wird gegenargumentiert, die Planung sei schon weit gediehen und für die Vorbereitung der aufwendigen Bürgerforen sei es schon sehr spät.

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