Die Zimmerflucht

Die Zimmerflucht
Urlaubsritual.Gekommen, um nicht zu bleiben – denn irgendwas ist doch immer.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Wer verbalisiert zuerst, dass das Zimmer scheiße ist?

von Gabriele Kuhn

über die Szenen einer Redaktionsehe.

Sie

Wo ein Urlaub, da viele Erwartungen. An die Auszeit per se, an das Zimmer mit Ausblick, aber auch an den vor Ort gebotenen Wein. Und natürlich an mich, das vor Ort mitgeschleppte Weib. Womit das Erholungsdilemma simpel umrissen wäre. Doch von vorne: Den Mann nebenan und ich trennt so manches, aber in der Causa „Hotelzimmer“ sind wir uns seit vielen, vielen Jahren einig: Es muss mindestens ein Mal gewechselt werden.

So nicht!

Denn irgendwas ist immer – ein total idyllischer Kreisverkehr im Windschatten unserer Ruhe suchenden Seele, das antarktische Klimagebläse exakt über meinem Haupt, dieses Schnurren eines Aufzugs, dessen Schacht hinter unserem Bett für Abwechslung sorgt, (je nachdem, in welches Stockwerk das Ding gerade fährt), und Küchengeruch, wo es nach Salz und Südwind duften sollte. Daher geistert spätestens am zweiten Tag nach Ankunft in unseren Köpfen der Satz „So nicht!“ herum, nur keiner spricht ihn aus. Also belauern wir einander in Bombenstimmung: Wer verbalisiert zuerst, dass das Zimmer scheiße ist? Wer geht in die Offensive? Wer handelt? Womit wir bei Punkt 1, den Erwartungen, gelandet wären: Er erwartet von mir, dass ich meine Grüne-Mamba-Attitüden auspacke und die Hoteldirektion in ein Argumentations-Schlachtfeld verwandle. Ich erwarte von ihm, dass er Manns genug ist, dem lethargischen Rezeptionisten ein neues Zimmer rauszuwürgen. Die Erwartungen werden von allen Protagonisten mit „Mach-endlich-was“-Blicken schmallippig untermauert. Dazu kommen allerlei andere Missstimmungen, die schon vor Abreise für UPMS (= Urlaubsbedingtes Prämännliches Sauersein) sorgten. Etwa die Art, meinen Koffer zu packen. Aber das lesen Sie bitte nächste Woche.

Twitter: @GabrieleKuhn

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Er

Echt jetzt: Der spannendsten Augenblick des Urlaubs ist jener Moment, da die Zimmertür aufgeht, und wir in wenigen Sekunden schweigend das Domizil der nächsten 14 Tage scannen. Es ist jedes Mal wieder ein Höllenritt zwischen der Sehnsucht nach Perfektion und der Suche nach dem Fehler. Verschärft wird das Einzug-Procedere durch die Gewissheit, dass wir uns in der Mängelbewertung oft nicht einig sind. Ein uralter Föhn, dessen zarter Lufthauch garantiert, dass gnä Kuhn zur Mähnen-Trocknung tägliche Überstunden einkalkulieren muss, ist für mich zum Beispiel kein Beschwerdeargument.

Meerblick

Diesmal aber schien alles nach unseren Vorstellungen zu sein. Und mir fehlten vor Freude fast die Worte, dass ich nicht wie 2014 dem Rezeptionisten klarmachen musste, warum ein Zimmer mit Meerblick de facto keines ist, wenn man auf der Terrasse das Meer nur auf den Zehenspitzen stehend entdecken kann. Und warum ich den regen Betrieb auf der Tennisanlage vor unserem Fenster eher nicht als würdigen Ausgleich für die verwehrte See-Sicht betrachte. Unser Glück dauerte genau drei Tage. Allerdings nur, weil ich zu jener Sorte Mensch zähle, die ob des Weckgeräusches von Mauerputz-Fräsen nicht in Euphorie verfallen. Die Liebste war trotz ihrer rituellen Ohropax-Abschottung empört und rief: „Das darfst du dir nicht gefallen lassen.“ Das „du“ hieß: Ich war wie schon im Vorjahr mit „Also, so geht’s sicher nicht“ dran. Das ist ungerecht. Den Zimmerwechsel 2016 checkt dann aber fix sie. Darauf werde ich bestehen.

Unsere nächsten Auftritte: Lesung am 17. August im Thermalbad in Bad Fischau, Buchpräsentation von „Du machst mich wahnsinnig“ am 30. August auf der Wiener Summerstage.

Twitter: @MHufnagl

www.michael-hufnagl.com

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