Zwischen Sly und Leo

Zwischen Sly und Leo
Action oder Melodram? Fix ist nur, dass die Ehe ein kompliziertes Genre ist.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Meine Frau weint gerne vor dem Fernseher.

von Gabriele Kuhn

über die Szenen einer Redaktionsehe.

Sie

Von einer Tante habe ich gelernt, dass ich mich im Finstern nicht zu fürchten brauche. Wo ich doch einen Schutzengel habe, wo doch jeder Mensch einen Schutzengel hat. Das hat sie gesagt. Was sie noch gesagt hat: Dass jeder Mensch einen Zwilling hat. Einen magischen Seelenverwandten. Daran muss ich immer wieder denken, wenn ich neben Herzkönig aufwache. Wo ist der nur?, frage ich mich. Wann kommt er und schaut mit uns Fußball?

Zwei Superhelden

Irgendwo muss es also einen zweiten Mann nebenan geben. Ich glaube zu wissen, wer das ist. Es ist der Sylvester. Sylvester Stallone alias Rocky alias Rambo. Mag sein, dass Micky Balboa-Hufnagl seinem Seelenverwandten äußerlich nicht gleicht, aber vom Archetypus her bin ich mir sicher: Da sind zwei Superhelden bei der Geburt getrennt worden. Die Tante würde sagen: Jössas ja! Ich aber sehe im Geiste vor mir, wie die zwei endlich zusammenfinden, einander die Schultern klopfen, dass die Gelenkskapseln krachen, und dann plauschen. Sylvester: Verdammt schade, dass es so wenige Superhelden gibt. Es gibt kaum mehr Raum für einsame Wölfe, die ich so gerne spiele.* Micky: "Stimmt, Bruder. Stattdessen müssen Männer ihre Frauen begleiten, wenn sie Kuscheldecken für Winterabende kaufen." Sylvester: Es sind nicht mehr viele von uns übrig, wir müssen tapfer bleiben. Daher werde ich damit weitermachen, bis mein Körper explodiert*. Micky: "Oh." Sylvester: Yes. Dringende Notiz an mich: Sylvester beabsichtigt seine Filmrequisiten zu auktionieren. Rambos Armeejacke, etwa. Und Rockys Boxhandschuhe. Da muss ich meinen Micky überwachen, damit er nicht zuschlägt. Sonst bleibt nämlich kein Geld für meine Kuscheldecke übrig. *Teilweise O-Töne aus einem Interview mit Herrn Stallone.

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Er

Meine Frau weint gerne vor dem Fernseher. Aber ich verstehe bis heute nicht, warum genau es "sooo schön" ist, Filme zu sehen, die stundenlang traurig sind, und an deren Ende die Hauptdarsteller dann verlässlich für immer fortgehen, alle sterben oder Dinge tun, die kein Mensch je tun würde. Sie ist in solchen Fällen natürlich immer bemüht, mir zu erklären, warum das jeweilige Werk trotzdem einen so hoffnungsvollen Charakter besitzt. Schluchzend natürlich. Dabei ist es im Fall von gnä Kuhneinerlei, ob es sich um ein simpel gestricktes Hollywood-Drama handelt oder um eine guatemaltekische Low-Budget-Bürgerkriegs-Tragödie, die 1971 sogar beim Dokumentar-Filmfestival im finnischen Tampere gezeigt wurde.

Beistand

Kein Wunder also, dass sie für meinen Hang zum gepflegten Action-Spektakel nix übrig hat. Und dass es wohl weniger schwierig wäre, eine Originaljacke von Rambo zu ersteigern, als danach bei uns daheim ein würdiges Platzerl dafür zufinden. Hätte ich doch nur unlängst bei der großen Auktion von Titanic-Devotionalien mitgemacht und einen billigen versunkenen Salzstreuer erobert. Das würde sie rühren. Und seit ich damals ihr zuliebe mit ins Kino ging, um das gefühlt neun Stunden lang dauernde Untergangs-Epos anzusehen, bittet sie mich bei jeder Ausstrahlung um Beistand. Weil Leo DiCaprios Eismeer-Gebibber gar so berührend ist. Und weil ich damals angeblich gesagt hätte, dass ich dereinst auch gerne mit ihr am Bug eines Schiffes stehen würde. Dabei war das sicher nur ein listig inszenierter Special-Effect von mir. Denn im Tretboot auf der Alten Donau ist es viel romantischer.

Unser nächsten Paaradox-Auftritte im Wiener Rabenhof: 7. 11. in Brunn am Gebirge (Bruno), 13. 11. und 19. 11. im Wiener Rabenhof. (Karten: www.rabenhoftheater.com)

Twitter: @MHufnagl

www.michael-hufnagl.com

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