Zum Diktat!

Zum Diktat!
Teamwork. Der weiße Fleck in der Zeitung und eine Kolumne in allerletzter Minute.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Er sagte erst nix. Dann folgte ein lautes Bist du wahnsinnig?

von Gabriele Kuhn

über Hilfe in der Not

Sie

Ja, mir passieren manchmal Fehler. Eine Rarität, wie ich meine – aber „Gnä Kuhn“, wie mich der Mann nebenan gerne nennt, ist eben auch nur ein Mensch. Als solcher vergaß ich vergangene Woche etwas nicht ganz Unwesentliches: Nämlich den Chefbrodler davon zu informieren, dass er mit seinem Text einen Tag früher fertig sein müsse, weil: vorgezogener Redaktionsschluss. Ich hatte deshalb nicht daran gedacht, weil ich mein Oeuvre längst im Kasterl hatte. 5 (!) Arbeitstage vor Deadline – erledigt ist erledigt. Ein Satz, den El Coucho nicht sinnerfassend lesen kann.

Oh, Schreck!

Und da sah ich ihn plötzlich, diesen leeren Fleck auf dem Computer. Alle(s) fertig – nur er nicht. Und ich schuld daran! Gar nicht gut, zumal er bei einem Termin saß und nicht an den Tasten. Eine Frau, ein Entschluss: „Ich schreib den Text.“ Dafür brauchte ich sein Okay – also rief ich ihn an, erklärte ihm die Misere – und meine Idee. Er sagte erst nix. Dann folgte ein lautes Bist du wahnsinnig? Sowie eine langelange Das geht so nicht-Suada. Ich erwiderte: „Das Wort ,Lösung‘ ist dir eher fremd, gell?“ Er legte auf, ich fing zu schreiben an. Fünf Minuten später sein Anruf aus dem Auto: Huach zua! Dann fütterte er mich im Stakkato mit Gedankenhappen und Formulierungen. Ein Stegreif-Theater, von dem ich jetzt schon weiß, dass es ganze Michi erzählt legendäre Geschichten aus seinem Leben-Abende füllen wird – Titel: „Der Tag, an dem ich meiner Frau mit einem lässigen Diktat aus der Hüfte den Job rettete. Sogar Satzzeichen sagte er mir an. 17 Minuten später schickte ich ihm das Werk zum Gegenlesen. Umgehend rief er zurück: Super. Das mach ma jetzt immer so. Ich diktier’ – du schreibst! In diesem Momente wurde mir klar: Ich hatte nicht einen Fehler gemacht, sondern zwei.

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Er

Jeder macht einmal einen Fehler. Einen Satz, den ich mir – vom Schicksal diktiert – ein Leben lang schon mantraartig vorsage. Ganz anders verhält es sich da mit dem Pendant: Jede macht einmal einen Fehler. Man glaubt ja gar nicht, wie groß im Laufe eines Ehealltags der Unterschied zwischen jeder und jede werden kann. Denn die Liebste tut sich bei der Erkenntnis, dass es sogar in ihrem grandios ausgetüftelten Erledigungssystem zu einer fatalen Error-Meldung kommen kann, ein bisserl schwer. Dafür ist sie dann Garantin für ein Feuerwerk der Rechtfertigungen, wenn ein solcher Lapsus, der zu hundert Prozent ihr zugeordnet werden kann, passiert. Da gibt es so viele Gründe, warum geschah, was geschehen musste, dass ich sie am Ende fast dafür bewundere, wie lange sie das Ups vermeiden konnte. Also schenke ich ihr ein gütiges Lächeln.

Telefonkonferenz

Und schlussfolgere augenblicklich: Nicht auszudenken, mir wäre es widerfahren, dass ich vergessen hätte, sie auf eine so bedeutende Planänderung hinzuweisen. Nun, den dann einsetzenden Monolog könnte ich sogar unmittelbar nach dem Aufwecken um drei Uhr in der Nacht fehlerfrei rezitieren.

Mit allen Ausführungen, warum es auf diese schlampige Art nie etwas werden könne mit meiner persönlichen Weiterentwicklung, der Eroberung des Glücks und dem Weltfrieden. Ihre Reaktionsschnelligkeit und Lösungskompetenz hat mich aber dennoch ziemlich beeindruckt. Unsere intensive Kolumnen-Telefonkonferenz mit sämtlichen Diskussionen über Punkt und Beistrich hätte ich jedenfalls sehr gerne als YouTube-Dokument. Denn das Theater glaubt uns keiner.

Paaradox im Rabenhof, 20. 12., 20 Uhr. Buchtipp: „Du machst mich wahnsinnig“ – gesammelte Kolumnen, Verlag Amalthea.

Twitter: Michael Hufnagl

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