Und heute: Verkehrte Welt

Und heute: Verkehrte Welt
Rollentausch. Eine Premiere: Er schreibt zuerst, sie zieht ein wenig unwillig nach.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Womit wir an einem seltenen Punkt gelandet wären – es eint uns etwas.

von Gabriele Kuhn

über die Szenen einer Redaktionsehe.

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Er

Irgendwann muss angeblich immer das erste Mal sein. Und daher beginne diesmal ich mit dem Schreiben, nach über drei harmonischen Paaradox-Jahren. Aber wäre es nach mir gegangen, hätte ich mich nicht so mirnixdirnix in die linke Spalte schupfen lassen. Das ist wie in einem Ehebett. Da tauscht man doch auch nicht plötzlich die Seiten. Ich war deshalb sogar fast ein bisserl trotzig, hab’ aufgestampft und bei Tisch gerufen: „Nein, meine Suppe ess’ ich nicht!“ Nur weil sie sich einbildet, hier und heute müsste unbedingt eine Überraschung stattfinden. Und dann ist es ja wahrlich nicht so, dass gnä Kuhn nach dem (erzwungenen) Rollentausch-Beschluss entspannt meines Textleins harrt. Nix da, stattdessen vernahm ich im Stundentakt dieses „Und?“, das mich ein Leben lang immer genervt hat. Dieses fordernde, nur zum Schein beiläufige „Und?“, von dem ich genau weiß, was es mir zu Ende gedacht sagen soll („... hast schon endlich geschrieben?“). Dieses „Und?“, dessentwegen ich mich ein Leben lang absichtlich blöd stellen musste („Was und?“), um mir diesen kleinen Rest Widerstandswürde zu bewahren. VertrocknungIch möge es positiv sehen, sagte sie. Denn ich könne nun ohne Vorgabe alle eheweiblichen Verrücktheiten auflisten. Als ob die Länge für so eine Zeitungsspalte schon erfunden wäre. Daher nur Folgendes: Dass sie heimlich in meine Naschlade eindringt, ein Manner-Packerl aufreißt, um dann nur eine einzige (in Zahlen: 1) Schnitte zu essen, macht mich rasend. Sie nennt das „so einen Zwutschki-Süßigkeiten-Appetit“, für den neun Schnitten ein tragisches Vertrocknungsschicksal erleiden müssen. Ich nenne das einen Skandal mit Symbolcharakter. Daher habe ich mir mit dem Schreiben justament Zeit gelassen. Das hasst sie. Meine süße Zwutschki-Rache.

Twitter:@MHufnagl

www.michael-hufnagl.com

Sie

Hm, der Mann nebenan hat schon unverkrampfter geschrieben. So schaut’s also aus, wenn ein Last-Minute-Junkie, der den Redaktionsschluss stets ausreizt, rechtzeitig ans Werke geht. Der frühe Vogel fängt den Wurm? Da kann sich’s maximal um ein Wurmerl handeln. Doch da die Frage „Warum schreibt sie zuerst?“ die LeserInnen bewegt und hier oft falsche Schlüsse gezogen werden (weil sie das Sagen hat, weil sie recht haben möchte, weil sie einen auf Frau Wichtig macht, etc. etc.), haben wir heute den Salat – und getauscht. Frühjahrsmüdigkeit Mühsam. Es ist so: Der, der anfängt, gibt das Thema vor. Was ihn betrifft, kein Thema – weil: er hatte auch diesmal keines. Wo er doch mit anderen Sachen total eingedeckt ist, er so viele Termine hat, und sich ganz, ganz blöde Kopfschmerzen einstellten. Sowie eine sehr spezielle, nie da gewesene Form der Frühjahrsmüdigkeit aufpoppte. Blöder Zufall. Daher sprach ich sonntags, an einer Mannerschnitte nagend: Schreib doch über das, worüber du dich heute am meisten geärgert hast – und fuchtelte mit der Schnitte herum. Es folgte eine hohle Phrase: Schatzi, ausgerechnet dieses Wochenende war alles so schön harmonisch. Ich identifizierte das sofort als klassischen Trick, um der „Schreib-zuerst-Falle“ zu entrinnen und wurde laut: „Hallo? Normalerweise zuckst du aus, wenn ich ein Schnittenpackerl anreiß’ und es nicht bis zum letzten Bröserl inhaliere.“ Seinem Augenrollen ließ ich eine weitere Tat folgen: Ich brach ein Tausendstel seiner Lieblingsschokolade ab und ließ sie im Dialog mit einer angebrochenen Paprikachips-Packung in der Naschlade liegen. Cooler Aromenmix, wie ich finde.

Buchtipp: „Du machst mich wahnsinnig. Paaradoxe Szenen einer Ehe“, Verlag Amalthea – soeben erschienen.

Twitter: @gabriele.kuhn

Facebook: facebook.com/GabrieleKuhn60

Neue Homepage: www.paaradox.at

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