Small Talk

Small Talk
Sommerparty: Er wächst beim wortreichen Tête-à-Tête über sich hinaus. Sie staunt.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Er spricht nicht – er parliert, doziert, flötet und säuselt.

von Gabriele Kuhn

über die Szenen einer Redaktionsehe.

Sie

Wir sind ja alle viele – also nicht nur "der Mann nebenan" oder "Gnä Kuhn". Weil der Mensch wandlungsfähig ist und für jedes Umfeld ein "Gesicht" parat hat. Ein paar nette Beispiele für die hohe Kunst seiner Anpassung möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Zumal der Mann nebenan chamäleonähnliche Fähigkeiten hat, wenn es darum geht, in gewissen Situationen als cooler Johnny rüberzukommen.

Strahlen

Man nehme eine Gartenparty, Dresscode: leicht gekleidet. Ein paar sehr nette Damen umrunden Don Hufnagl, der ein Glas Bowle in Händen hält. Eine preist seine journalistischen Werke, die andere steht einfach nur da und schaut ihn an, eine weitere fragt, ob er Single sei. Ich sehe – 1. Wie des Mannes Vorab-Grant einem inneren Strahlen und äußerem Gockeln weicht. War er vor Aufbruch daheim noch missmutig und sicher gewesen, wie öd das alles würde, ist auf einmal alles Zucker. Keine Moll-Töne mehr, stattdessen düdelt die Ode an den Michi . Ich sehe also 2. wie er wächst. Sein Rücken streckt sich zeitgleich mit seinem Ego, das zunehmend die ganze Terrasse erfasst und bald bis zu den Rosenbeeten reicht. Er spricht nicht – er parliert, doziert, flötet und säuselt. Anekdoten, die ich nicht mehr hören kann, verwandelt er in pointierte Ladykracher. Ich sehe, wie er auf ungewohnte Weise hyperaktiv wird. Er mutiert vom Faulus zum Pfaulus, schöngeistert exzessiv herum, reicht den Damen Wort- und Melonenhäppchen, übertrifft sich selbst. Das geht so lange, bis sich die Party-Gesellschaft weit nach Mitternacht auflöst und wir heimfahren. Ein vom Small Talk ermatteter Mann steigt ins Auto, sinkt in sich zusammen und spricht laut gähnend: So eine nette Party, aber jetzt bin ich wirklich müd’. Ja, Schatzi – schlaf gut. Und träum schön weiter.

Twitter: @GabrieleKuhn

facebook.com/GabrieleKuhn60

Er

Meine Frau beneidet mich. Vielleicht nicht um sehr vieles, aber ganz sicher um die Fähigkeit, zu jeder Zeit an jedem Ort mit jedem Menschen ein nettes Gespräch führen zu können. Denn ich bin grundsätzlich ein aufmerksamer Zuhörer, was dazu führt, dass ich flott Interessensgebiete abklopfen und die Erkenntnisse in kurzweilige Diskurse transformieren kann. Dabei ist es mir leicht möglich, über einen gewissen Zeitraum auch das langweiligste Thema für spannend zu erachten und darauf zu reflektieren. Die Liebste behauptet immer, ich würde mich gut verstellen, aber das stimmt gar nicht. Mir macht das Spaß.

Bedeutungsschwere

Das Problem ist vielmehr sie, die Small Talk etwa so schätzt wie der Kanzler das Wort Reformwille. Bei sogenannten Events von Grüppchen zu Grüppchen zu ziehen und dabei kleine, aber feine Senfspuren zu hinterlassen, ist nicht ihre Passion. Sie würde bei der großen Gartenparty am liebsten in einer Ecke stehen und am Gelben Muskateller nippend mit einem auserwählten Denker stundenlang ein Spezialgebiet abgrasen, um dann am Ende des Abends bedeutungsschwer bilanzieren zu können: "Das hat mich echt wieder ein Stück weitergebracht." Umso schwieriger ist es daher, wenn wir gemeinsam in einer Runde landen, in der – Strafe – jemand Sätze fallen lässt wie "Und, Finale gesehen?" oder "Ich hab’ gehört, Sie spielen auch Golf!" Vor allem, wenn es sich bei diesem jemand – Höchststrafe – um eine Frau handelt, die aus ihrer Sicht in die Monica-Bellucci-Kategorie fällt. Dann spüre ich sofort ihre einzigartige energetische Kraft, die im Rahmen der nonverbalen Contenance besagt: "Wehe!!!" Dazu lächelt sie. Weil: Small Smile kann sie sehr wohl.

Unsere nächste Lesung: Am 5. Juli (20 Uhr) in Leobersdorf.

Twitter: @MHufnagl

www.michael-hufnagl.com

Kommentare