Rendezvous auf der Insel

Rendezvous auf der Insel
Nur sie und er. Warum die Gedanken dazu eher nicht romantisch sind.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Würde ich mit ihm den Rest meines Lebens auf einem einsamen Eiland leben wollen?

von Gabriele Kuhn

über die Szenen einer Redaktionsehe

Sie

Rund um uns Insel. Und Meer. Er isst die vierte Portion Souvlaki, ich nage am Moussaka. In der Ferne tanzen erste Betrunkene ihren ersten Sirtaki. Alle sagen Michalis zu Michael. Der Mann nebenan findet das nicht lustig. Drei Ouzos und fünf Metaxa später stelle ich mir die Gewissensfrage: Taugt Michalis als Inselmann? Würde ich mit ihm den Rest meines Lebens auf einem einsamen Eiland leben wollen, nur ausgerüstet mit einem Survival-Set und einem Nackenkissen?

Jede Ehe ist eine Insel

Warum nicht? Wo doch jede Ehe oder Beziehung so was wie eine Insel ist. Man richtet sich dort ein, man pflanzt Essbares an und versucht, diese Insel durch Fortpflanzung zu beleben. Hie und da gilt es, wilde Tiere zu besiegen, die unvorhergesehen kommen, um die Inselfrau oder den Inselmann zu verspeisen. Manchmal hält man Ausschau nach Nachbarinseln, um die Idee gleich wieder fallen zu lassen. Denn: andere Inseln, ähnliche Probleme. Mir wäre klar, dass der Michalis kein Bastelkönig sein würde. Er würde mir keine Lianen-Palmwedel-Villa bauen, eher ein Häusl, das bei jedem Wind umkippt. Zumal es ja keinen Baumarkt gibt, über den der Mann nebenan fluchen kann. Er kann mir also auch keine Liebesschaukel aus getrocknetem Meerestang flechten und wird erst nach vielen Wutanfällen mit der Hand Fische fangen. Bei der Jagd mit Pfeil und Bogen ist er garantiert talentierter und er wird sehr gut darin sein, mir zu sagen, wie ich das von ihm erlegte Fleisch über offenem Feuer grillen soll. Was er auch super können wird: Inselwitze machen, aus diversen Dingen Bälle formen (und damit spielen) sowie Rauchzeichen twittern.

Fünf Gläser Wasser und acht Stunden Schlaf später folgt sowieso die Ernüchterung: Der Inselmann steht mit 15 anderen Inselmännern, vorwiegend deutscher Provenienz, am Inselhotelbuffet und wartet auf seine Ham and Eggs.

Twitter: @GabrieleKuhn

Er

Ich finde es ja in höchstem Maße originell, wenn sich meine Frau in einer Gedankenwelt verliert, in der mir vor allem die Rolle des Dolms zukommt. Ich möchte daher lieber nicht wissen, was sonst so alles in ihrem erhitzten Köpfchen vor sich geht, während sie auf das Meer starrt und mit ihren Zehen so lange mit den Muscheln spielt, bis sie sich unter Garantie schneidet. Und mich bittet, in der Mittagshitze ins Dorf zu sprinten, um auf dem Marktplatz laut und aufgeregt "Kalderimi, Kalderimi" zu brüllen (wo sich dann alle wundern, warum der Urlauber Michalis plötzlich nach Straßenpflaster verlangt).

Defizite

Tatsache ist, dass die Vorstellung, wir beide müssten auf einer Insel ohne fremde Hilfe leben, einen sehr speziellen Charme hat. Das hat aber ganz ehrlich weniger mit meinen gelegentlichen handwerklichen Defiziten zu tun als vielmehr mit ihren Ansprüchen an das Dasein. Denn es würde schon eine Zeit lang dauern, ehe der Herzdame bewusst würde, dass man hier nirgendwo krachkalten Weißwein pflücken oder im Sand nach iTunes buddeln kann.

Was ihr hingegen sehr schnell käme, wäre die nackte Angst. Denn eine Frau, die sich schon im Domizil nahe des Wienerwalds nicht traut, die Terrassentür offen zu lassen, weil des Nachts allenfalls ein blutrünstiger Dachs das Schlafzimmer erobern könnte, die wird in der Geräuschkulisse der Insel eher wenig Ruhe finden. Und ich wiederum hätte nicht die geringste Zeit, an Zeltbau oder Fischjagd zu scheitern. Da ich nämlich nichts anderes tun würde, als über allerlei Fallensystemen zu brüten, um die Tausenden Spinnenarten, die ausnahmslos bösartig sind, daran zu hindern, gierig Bauch, Bein, Po von Frau Kuhn zu verputzen. Dankenswerterweise ist das alles nur schaurige Vision. Denn ihre Realität heißt Wassergymnastik. Und meine "Kalimera Nichtstun!"

Twitter:@MHufnagl

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